Es war einmal ein Burgertrend – Ein Abgesang

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Wisst ihr noch damals, als das Happy Meal noch Juniortüte hieß und man nicht gleich das Jugendamt oder RTL II einschalten wollte, wenn man tatsächlich zu einem Kindergeburtstag im McDonald’s eingeladen wurde? Als Burger nichts mit kulinarischen Hochgenüssen, sondern nur mit Spielzeugen voller giftiger Weichmacher zu tun hatten?

Als in Diskussionen über Pommes nie die Worte „getrüffelt“, „Süßkartoffel“ oder „Hand cut“ fielen, sondern der Streit nur an einem Punkt entbrannte – „McDonald’s oder Burger King.“? Als wir unser Menü nicht mit regionalem Craftbeer, sondern mit Zuckerwasser von Großkonzernen runterspülten?

Früher war alles fettiger

Ja, das waren noch Zeiten. Nicht unbedingt besser, aber definitiv ehrlicher. Wir alle wussten, dass es beim Verspeisen eines Burgers nicht um das Geschmackserlebnis ging oder den wahren, wertvollen Genuss. Dafür gab es echte Restaurants. Es ging um Kinder, die ihre Klappe hielten, Pappsemmeln mit fragwürdiger Füllung aßen und sich im Zuckerschock den Kopf in der Plastikrutsche anhauten. Kein Mensch erwartete, dass der bestellte Burger auch so aussah, wie auf dem Foto, auf das man eben beim Bestellen noch gezeigt hatte. Aber das war auch okay und nur fair. Alle wussten woran sie waren.

Irgendwann verlor diese ganze Sache ihren Reiz. Einerseits aus persönlichen, andererseits aus gesellschaftlichen Gründen. Der Burger war nun mal der Inbegriff all jener Dinge, mit denen man als mündiger, gesundheitsbewusster Mensch nicht in Zusammenhang gebracht werden wollte. Ein Burger war maximal ein betrunkener Ausrutscher, den es zu bedauern galt. Da half auch kein Shakin’ Salad statt der Pommes.

Der Burger, das hässliche Entlein, wurde zum schönen Schwan.

Doch eines schönen Tages, es klingt ein bisschen wie im Märchen, wurde der Burger aus seinem Schattendasein in altem Bratenfett herauskatapultiert und landete auf dem Gourmet-Grill nebst edlen Begleitern: Eben jene Handcut-Süßkartoffel-Pommes, handgerührtes Mango-Balsamico-Chutney und Blauschimmelkäse. Plötzlich Prinzessin sozusagen. Das hässliche Entlein wurde zum schönen Schwan.

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Dabei änderte sich nicht nur der Burger an sich, auch die gesamte Burger-Infrastruktur wurde fleißig modernisiert und aufgehübscht als hätte man eine Armee von Tine Wittlers über München ausgestreut. Eine Burger-Braterei – oder wahlweise Burger-Manufaktur – nach der anderen eröffnete in der Stadt und bald konnte man den Burger vor lauter Birken nicht mehr sehen. Woher die ganzen freien Gewerbeimmobilien kamen, bleibt allerdings weiterhin ein ungelöstes Rätsel in dieser Geschichte.

Eine Burger-Braterei – oder wahlweise Burger-Manufaktur – nach der anderen eröffnete in der Stadt und bald konnte man den Burger vor lauter Birken nicht mehr sehen.

Und so saßen wir Münchner Abend um Abend auf Baumstümpfen oder sonstigen Sitzgelegenheiten, zahlten ohne mit der Wimper zu zucken horrende Preise für eine bessere Fleischpflanzerlsemmel und tropften uns selig grinsend die handgeschürfte Trüffel-Reduktion auf unsere Ausgehgarderobe.

Die Zeiten, in denen ich alle größeren Anschaffungen mit der Hilfe von Cheeseburger-Preisen ins Verhältnis setzen konnte, waren demnach vorbei. Und das war der Beweis für den unnachahmlichen Siegeszug des Burgers. Er hatte es von dem nächtlichen betrunkenen Ausrutscher zur stilvollen Abendbegleitung geschafft.

Alles hat eine Ende, nur der Burger ... auch!

Woher der Trend und vor allem der Hype kam, ist so mysteriös, wie das in einem echten Märchen zu sein hat. Vielleicht weckt der Burger in Form und Konsistenz tiefste Wünsche und Sehnsüchte nach der längt vergangenen Zeit an der Mutterbrust. Vielleicht ist es, weil er als Deluxe-Version den Spagat schafft zwischen „mal wieder lecker Essen gehen“ und „zwanglosem Beisammensein“. Sozusagen der Traum all jener, die dazu verdammt sind, Mitarbeiter-Stammtische zu organisieren.

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Was auch immer es war, das den Burger zu seiner Boss-Transformation gebracht hat, eins muss er so langsam mit aller Härte feststellen (vor allem, weil er keine Wurst ist): Alles hat ein Ende. So sehr sich die meist selbst ernannten Burger-Gastronomen auch bemüht haben mit ihren Marketing-Gags à la Nachhaltigkeit, Regionalität und tot gestreichelten Kühen. Die ersten Burgerläden in München verabschieden sich schon wieder. Ob aus Erfolglosigkeit oder in weiser Voraussicht, sei mal dahin gestellt. Die Fassade bröckelt und es ist Zeit sich einzugestehen: Burger bleibt Burger bleibt Burger.

Er ist am Ende doch nichts anderes als ein Gericht nach dem Baukasten-Prinzip, dessen Zubereitung weder viele Zutaten, noch viel Liebe, noch eine abgeschlossene Kochausbildung benötigt.

Er ist am Ende doch nichts anderes als ein Gericht nach dem Baukasten-Prinzip, dessen Zubereitung weder viele Zutaten, noch viel Liebe, noch eine abgeschlossene Kochausbildung benötigt. Der geschickte Umgang mit dem Pfannenwender und der Saucenkelle genügt.

Und das ist durchaus legitim, solange man den Burger nicht zu etwas hoch stilisiert, was er nicht ist, um ihn Hashtag-tauglich zu machen. Von all der vorgegaukelten Realness, die pures Fleisch auf Weißbrot eigentlich haben könnte, bleibt nach der Verfälschung mit karamellisiertem Ziegenkäse, Zwiebeljus und sonstigem Schnickschnack nicht mehr viel übrig. Und das scheint so langsam auch bei den Münchnern anzukommen.

Denn so sehr man die Prinzessin auch schminkt und in schöne Kleider packt, am – mittlerweile zartrosa – Kern ändert sich nichts. Im Herzen bleibt der schöne Schwan ein hässliches Entlein.

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P.S.: Wer nicht auf Fleisch in Weißbrot verzichten möchte, die beste Fleischpflanzerlsemmel in München gibt es bei Ida's Milchladen am Sendlinger Tor.

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