Bussi-Bussi mach' ich nur mit Menschen, die ich nicht mag!
Angeblich ist der Mensch ja ein soziales Wesen. Es heißt, er könne ohne Kontakt zu seinen Artgenossen nicht überleben. Das ist natürlich logisch und auch wahr, heißt im Umkehrschluss aber nicht, dass man Kontakt zu jedem Menschen zum Überleben braucht. Spontan fallen mir mehr als zwei Leute ein, ohne die ich ganz gut klar kommen würde. Ich meine, was wären wir ohne eine gesunde Portion Menschenhass oder zumindest berechtigte Zweifel an unserer Spezies?
Im Laufe seines Lebens lernt man, dass man sich nicht immer aussuchen kann, mit wem man – in welcher Form auch immer – sozial interagiert. Vor allem dann nicht, wenn man zum Beispiel in die Schule gehen will, oder in den Supermarkt, oder in die Uni, oder zum Arzt oder U-Bahn fährt oder überhaupt irgendwie sein Haus verlassen muss.
Wir tarnen uns als süße Waschbären, die sich eine herzige Maske aufsetzen und dir aber hintenrum die Schokoriegel aus der Tasche mopsen.
Richtig schlimm wird es aber spätestens in der Arbeitswelt und zwar genau dann, wenn mindestens zwei Parteien irgendetwas voneinander möchten oder von mir aus auch im Wettbewerb miteinander stehen. Denn dann ist Schluss mit sozialem Wesen. Dann werden wir zu Tieren. Zu hinterhältigen Tieren. Zu süßen Waschbären zum Beispiel, die sich eine herzige Maske aufsetzen und dir aber hintenrum die Schokoriegel aus der Tasche mopsen.
Wie zwei Menschen zueinander stehen, lässt sich ja besonders gut schon bei der Begrüßung entlarven. Ein Handschlag ist professionell, eher distanziert und wenn man nicht gerade einen kalten, toten Fisch in die Hand gedrückt bekommt, nicht unangenehm. Die Umarmung behalten wir im Idealfall Menschen vor, die wir schon kennen, sympathisch finden oder denen, die uns keine Wahl lassen, weil sie uns schon im Schwitzkasten haben, bevor wir überhaupt wissen, wer sie sind.
Bussi-Bussi ist der wohl unehrlichste, heuchlerischste und scheinheiligste Move überhaupt.
Soviel zur Definition. Dass dabei aber auch jede Menge schief gehen kann, ist keine Neuigkeit. Und dass man jedes Mal aufs Neue entscheiden muss, welche Begrüßungsform in Frage kommt, sowieso. Die Münchner Vorzeige-Lösung, wenn der Handschlag zu förmlich und die Umarmung zu persönlich ist – oder wenn man keine Ahnung hat, wer vor einem steht – ist ja bekanntlich: Bussi rechts, Bussi links.
Eigentlich ist das eine charmante Lösung, denn obwohl ein Bussi an sich schon irgendwie eine intime Handlung ist, ist diese Bussi-Bussi-Nummer eine praktische und vor allem gesellschaftlich akzeptierte Begrüßung. Einziges Problem: Es ist der wohl unehrlichste, heuchlerischste und scheinheiligste Move überhaupt. Das hat uns die Bussi-Bussi-Gesellschaft aka Schickeria zwar schon Ende der 70er klar gemacht, aber seitdem hat sich nichts geändert.
Mein persönliches Bussi-Bussi bekommen vor allem Leute, die ich zwar kenne, aber auf die ich so gar keinen Bock habe.
Und wisst ihr was das Allerschlimmste ist? Nach langwieriger Selbststudie auf diversen (Society-?)Events, auf die man als vergnügte Redakteurin ab und zu mal eingeladen wird und auf denen man meist völlig underdressed und unvorbereitet auftaucht, musste ich feststellen, dass mein persönliches Bussi-Bussi tatsächlich drei Personengruppen vorbehalten ist:
1. Diejenigen, die ich anscheinend kennen sollte, aber dank meines furchtbar schlechten Gedächtnisses keinen blassen Schimmer habe, wer sie sind.
2. Diejenigen, die mich zwar nicht kennen (die meisten) und die es auch nicht juckt, ob sie mich kennen (auch die meisten), aber denen ich aus unerfindlichen Gründen vorgestellt werde.
3. Diejenigen, die ich dann doch kenne und vor allem erkenne, aber auf die ich sowas von überhaupt gar keinen Bock habe.
Echte Profis knutschen ja nicht wirklich die Wange des anderen ab, sondern hauchen ihm ihre innere Abneigung sanft ins Ohr.
Vor allem bei Kategorie drei ist es praktisch, weil ich dadurch freundlicher scheinen kann als mit einem Händedruck, ohne meinem Gegenüber ein Umarmungs-Privileg einräumen zu müssen. Man kommt sich beim Bussi zwar ungefähr gleich nah, aber echte Profis knutschen ja nicht wirklich die Wange des anderen ab, sondern hauchen ihm ihre innere Abneigung sanft ins Ohr.
Wenn man also mal drüber nachdenkt, dann ist es nicht nur an sich schon recht grausig, sich von einem (Halb-)Fremden abknutschen oder anhauchen zu lassen, es ist auch einfach abartig unaufrichtig. Da würde ich mich lieber abwatschen lassen. Mit der Rückhand. Oder einem Stuhl. Da weiß man dann zumindest safe, woran man ist. Bussi-Bussi ist also einfach nur der beste Beweis dafür, dass der Mensch nichts anderes als ein asoziales Wesen ist.