Flostern: die vielleicht sympathischste Zwischennutzung Münchens schließt

© Miriam Worek

„Shame on me“ war mein erster Gedanke, als ich erfuhr, dass das Flostern in der ehemaligen Stadtbibliothek in Giesing am 31.Oktober nach fast einem Jahr endgültig schließen wird. Ich selbst wohne nämlich drei Straßen weiter und meine Besuche dort lassen sich an einer Hand abzählen. Und das obwohl ich, wie viele von euch vielleicht auch, gerne nach Raum für subkulturellen Austausch und Kreativität schreie.

Eine kurze Hintergrundinfo für alle, die diese Zwischennutzung nicht kennen: Das Flostern** ist der Nachfolger vom Flostern* in der Pasinger Pappschachtel, das einem Einkaufszentrum weichen musste. Blickt man auf die Chronik dieser kreativen Plattform zurück, war seit November 2016 auf 370 Quadratmetern gefühlt alles geboten: Indoorflohmarkt, Konzerte, Dj–Sets, Bier auf Spendenbasis, Tischtennis, Diskussionen, Vorträge, audiovisuelle Kunst, Kochkurse und vieles mehr. Jeder durfte mitmachen.

Flostern
© Edward Beierle
Flostern
© Edward Beierle

Hauptverantwortlich ist das Künstlernetzwerk rund um das Atelier Held und das TamTam Kollektiv, die ihr vielleicht von der TamTam Bar in den Kammerspielen kennt. Die Bibliothek gehört der Stadt und das Flostern sollte dort so lange bleiben, bis ein solventer Nachmieter gefunden ist, der die nötige Renovierung übernimmt. Ich musste fast laut lachen, als ich erfuhr was dem Flostern II nachfolgen wird. Es könnte nicht besser zur allseits spürbaren Gentrifizierung Obergiesings passen: ein weiterer Bioladen.

Um mehr zu erfahren, treffe ich mich auf ein Bier mit Robert Hofmann, einem der Verantwortlichen, selbst Künstler und ein wirklich „alter“ Hase im Münchner Kulturbusiness. Er war neben dem ersten Flostern auch mitverantwortlich für das Puerto Giesing im ehemaligen Hertie-Kaufhaus, wo heute Woolworth und DM um Kunden buhlen. Langfristig planen war für die Verantwortlichen den gesamten Zeitraum also nicht möglich, denn der Mietvertrag wurde nur von Monat zu Monat verlängert.

Zwischennutzungssyndrom und Kulturnomaden

Robert spricht aus jahrelanger Erfahrung vom „Zwischennutzungssyndrom“ in München und Kreativen, die ungewollt zu Kulturnomaden werden: „Die Künstlerpersönlichkeit ist halt auch sehr flexibel und nimmt was sie kriegt“. Auf die Frage, ob ein Flostern III in Planung ist, antwortet er, dass sie alle anders gestrickt seien und nicht krampfhaft sofort die nächste Location hermüsse.

Es wird sich zeigen, denn die Welt ist voller Überraschungen und die Wirklichkeit überholt dich sowieso permanent.
Flostern
@ Miriam Worek
Flostern
© Edward Beierle
Flostern
© Miriam Worek

Auch wenn das Flostern jetzt schließen muss, hat es in der Hinsicht funktioniert, als dort ein bunt gemischtes Publikum aller Generationen und Interessen ein und aus ging. Als 300 Meter weiter das denkmalgeschützte Giesinger Häuschen abgerissen wurde, bot das Flostern wie durch Zufall den perfekten Ort für Diskussionen, Protestaktionen und die letzte Ruhestätte für einen Ziegelstein.

Hätte man mehr tun können?

Natürlich geht in diesem Zusammenhang auch wieder die Gentrifizierungs-Debatte los, die vor allem in Giesing hart geführt wird. Abriss, Bioladen udn die ewige Krux mit der Zwischennutzung. Robert stellt da ganz gut fest: „Zwischennutzungen sind Freiräume, die wirtschaftlichen Gegebenheiten unterworfen sind, private Investoren versprechen sich oft von der Verwaltung Vorzüge, wenn sie bevor es abgerissen wird „gnädigerweise" Kunst zulassen.“

Hätte mehr getan werden können, frage ich mich am Ende des Gesprächs, gerade weil das Flostern so besonders ist. Wir hatten ja mehr als genug Zeit, uns dafür zu engagieren, aber die Zwischennutzung hing nun mal wie ein Damoklesschwert über der Location. Die Leute werden (wie ich) trauern, aber eine Demonstration oder Aufbegehren, wie man es etwa nach dem Abriss des kleinen Häuschens bewundern konnte, wird wohl ausbleiben. In diesem Sinne: Nutzt die verbleibenden neun Tage und beehrt das Flostern mit mindestens einem Besuch!

© Edward Beierle
Zurück zur Startseite