Kleine, geile Firmen #22 – Oma-Kuchen von Kuchentratsch
Kuchentratsch steht schon viel zu lange auf unserer Liste. Das Start-Up aus München lässt in der eigenen Backstube im Westend superleckere Kuchen von Senioren backen. Die Omas und Opas können damit nicht nur ihre Rente aufbessern, sondern auch Kontakte schließen. Die Kuchen sind wahnsinnig lecker (eben wie bei Oma) und auch äußerst bezahlbar – man kann sie bestellen, abholen oder in einem der Münchner Cafés essen, die Kuchentratsch beliefert.
Soweit, so viel wussten vielleicht einige von euch schon über das Start-Up. Nun aber zu den beiden, großen News von Kuchentratsch: Das junge Unternehmen eröffnet im November 2017 ihr erstes Pop-Up-Café in Schwabing. Außerdem läuft morgen die Crowdfunding-Kampagne für das zweite Backbuch der Mädels, Omas und Opas aus. Ein guter Anlass also, die vielleicht sympathischste kleine, geile Firma der ganzen Stadt endlich einmal vorzustellen.
Wie lange gibt es Kuchentratsch schon?
Seit drei Jahren, Kuchentratsch wurde 2014 von Katharina und Katrin gegründet. Die Idee dahinter war einfach: Der Kuchen von der Oma schmeckt immer am besten und genau den kann man aber nirgendwo kaufen. Zudem wollten wir auch einen Beitrag für die Gesellschaft leisten. Bei uns stehen Werte definitiv vor Profit, wir wollen gesellschaftlich etwas bewegen. Viele Senioren sind einsam, haben nichts mehr zu erzählen, weil sie wenig Neues erleben – das wollen wir mit Kuchentratsch ändern.
Viele Senioren sind einsam, haben nichts mehr zu erzählen, weil sie wenig Neues erleben – das wollen wir mit Kuchentratsch ändern.
Wer arbeitet denn alles so bei euch?
Wir sind vier Festangestellte und eine Praktikantin, alles Frauen zwischen Ende Zwanzig und Anfang Dreißig. Unsere Back-Omis und -Opis beschäftigen wir auf Minijob-Basis. Insgesamt sind es an die 30 Senioren, beim Backen haben wir nur zwei Opas dabei. Dafür sind alle Auslieferer von uns pensionierte Männer.
Wo bekommt man eure Kuchen?
Wir beliefern einige Cafés und Restaurants, unter anderem das Café Gollier, das Marita Café, Wagners Juicery, den Kiosk 1917 und das Wirtshaus Hohenwart. Außerdem haben wir Firmenkunden, die regelmäßig Kuchen bei uns bestellen. Und dann natürlich private Kunden, die sich fürs Büro, für die Hochzeit oder den Geburtstag einen Kuchen bestellen. Seit kurzem versenden wir auch deutschlandweit – natürlich nur haltbare Sorten und per Express.
Am Anfang haben wir noch die Cafés angefragt, unser ersten Kunden waren zum Glück gleich kleine Ketten in München: Deli Star und Black Bean. Mittlerweile kommen aber auch viele Lokale auf uns zu. Die Leute probieren unseren Kuchen im Café und werden dann so auf uns aufmerksam. Der beliebteste Kuchen ist übrigens der Karottenkuchen mit Frischkäsetopping!
Verwendet ihr spezielle Zutaten?
Wir achten auf Regionalität, Saisonalität und natürlich auch Nachhaltigkeit. Mit unseren Lieferanten arbeiten wir teilweise schon lange zusammen. So kommen die Bio-Eier zum Beispiel vom Seepointerhof und das Mehl beziehen wir von der Meyermühle.
Welche Kuchen habt ihr im Sortiment? Oder ändert sich das ständig?
Das Grundgerüst sind fünfzehn Kuchen, die wir immer haben – darunter eben Karotte, Schoko, Schoko-Rote-Beete, Nuss-Schoko, Käse-, Zupf- und Marmorkuchen. Ansonsten schauen wir, was gerade wächst – so gibt's dann nur im Herbst den Zwetschgenkuchen und im Sommer Aprikose. Im Winter machen wir außerdem Plätzchen und Lebkuchen selbst.
Kann man sich bei euch bewerben oder wie funktioniert das?
Senioren, die Interesse haben, können einfach bei uns anrufen. Meistens passiert das, wenn gerade ein Zeitungsartikel über uns erschienen ist. Dann laden wir denjenigen zum Probebacken ein und schauen, ob es passt. Dabei geht es darum, zu gucken, wie sich die Gruppe untereinander versteht. Einige der Senioren treffen sich auch außerhalb von Kuchentratsch, viele sind seit Anfang an dabei. Aber sonst gibt es kein bestimmtes Bewerbungsverfahren (lacht), der Bewerber muss natürlich Spaß am Backen haben und auch selbstständig arbeiten können.
Wie organisiert ihr euch?
Wir haben einen Plan und jeder trägt sich ein. Viele haben auch schon ihre festen Tage, weil sie immer mit den selben Leuten backen wollen. Bei einer Oma ist vor kurzem erst der Mann gestorben und es tut ihr gerade sehr gut, hier zu sein. Für die Abwechslung und das Rauskommen. Da haben die anderen Senioren geguckt, dass sie sich aus dem Backplan austragen, damit diese Oma im Moment mehr machen kann.
Viele Renter kommen zu euch, weil sie sich etwas dazu verdienen wollen – vor allem in München ist Altersarmut ein großes Thema.
Die Mieten sind so hoch und um am gesellschaftlichen Leben teilnehmen zu können, muss man Geld ausgeben. Wenn man jetzt nicht jeden Tag nur im Park spazieren möchte, sondern auch mal ins Café oder Museum gehen will. Vor allem die Generation unserer Großeltern war oft ja noch klassisch aufgeteilt – der Mann ging arbeiten, die Frau kümmerte sich um Kinder und Haushalt. Viele haben sich da auch wenige Gedanken über eine finanzielle Absicherung gemacht. Vielleicht liegt es daran, dass wir mehr Back-Omis als -Opis haben. Heute ist das zum Glück schon anders, Frauen sorgen öfter selbst für sich vor.
Einige der Senioren treffen sich auch außerhalb von Kuchentratsch, viele sind seit Anfang an dabei.
Welche Projekte habt ihr denn gerade am Laufen?
Ab November haben wir unser erstes, eigenes Café – wenn auch nur auf Zeit. Wir werden für vier Monate in die Eisdiele Lorenzo in der Hohenzollernstraße ziehen und dort unseren Kuchen verkaufen, backen und auch endlich mal ein bisschen sichtbarer sein als hier im Hinterhof im Westend.
Außerdem bringen wir bald unser zweites Backbuch heraus, allerdings das erste, das wir ganz alleine gemacht habe. Dafür haben wir auch noch bis zum 17. Oktober 2017 eine Crowdfunding-Kampagne am Laufen. Neun von unseren Omas und Opas haben hier ihre Lieblingsrezepte für Weihnachten zusammengetragen. Die Plätzchen- und Punsch-Fotos für das Buch haben wir am heißesten Tag des Jahres bei 34 Grad produziert. Das war lustig.
Wenn man alles selbst backt und keine Profis am Werk sind, kann es ja auch mal zu Fehlern kommen. Ist euch mal etwas passiert?
Missgeschicke können natürlich immer passieren. Wir sind halt eine kleine Manufaktur und stellen Senioren an, die das gerne machen und nicht unbedingt einen professionellen Hintergrund haben. Aber bisher hatten wir da immer verständnisvolle Kunden, denn die, die bei uns bestellen, wissen es geht eher um das Herzblut hinter dem Projekt, als darum, dass immer alles perfekt ist.
Kuchentratsch Manufaktur | Landsberger Str. 59, 80339 München | Montag, Dienstag & Donnerstag: 09.00–18.00 Uhr, Mittwoch & Freitag: 08.00–18.00 Uhr | Mehr Infos
Kuchentratsch Pop-Up-Café (ab November 2017) | Hohenzollernstraße 44, 80801 München
München legt gern selbst Hand an. Fast jede Woche gründet sich hier eine neue Firma, wird ein neues Label vorgestellt oder neues Produkt lanciert. Wir stellen euch die kleinen, geilen Firmen der Stadt vor. Die Bedingungen sind simpel. Klein müssen sie sein, das heißt weniger als zehn Mitarbeiter und natürlich: Geil.