Das München-ABC: P wie Paulaner Spezi

© Nina Vogl

München ist wahnsinnig schön – und manchmal auch ein bisschen langweilig, spießig und streng. Zu sauber und zu geregelt. Wenn dir auch jedes Mal auf der Isar-Brücke die Knie weich werden und dich aber nichts mehr aufregt als unsere Öffnungszeiten, Tanzverbote und Mutlosigkeit, dann bist du hier genau richtig. In unserem ABC schreiben wir auf, was wir an dieser Stadt unendlich gut, aber auch ziemlich beschissen finden. Diesmal: Eine Liebeserklärung – an Paulaner Spezi.

Jedes Mal, wenn ich von einer Reise wieder nach Hause komme, freue ich mich, wenn ich von einem geliebten Menschen empfangen werde und das erste, was meine Lippen berührt, ist die perfekt geschwungene Öffnung einer Flasche Paulaner Spezi. Immer. Dazu gibt es dann noch eine Breze und mein Heimweh ist in einem Sekundenbruchteil gestillt.

Überhaupt ist Spezi nicht einfach nur ein Getränk, sondern ein Allheilmittel, der heilige Gral aller Katergeplagten.

Überhaupt ist Spezi nicht einfach nur ein Getränk, sondern ein Allheilmittel, der heilige Gral aller Katergeplagten und vor allem eine Glaubensfrage, denn unter all den Cola-Orangenlimo-Mischgetränken auf dem Markt – die allerwenigsten dürfen sich überhaupt Spezi nennen – muss man sich definitiv entscheiden, an wen man sein Herz verliert. Gäbe es ein Tinder für Spezi, würde ich alle bis auf Paulaner Spezi ohne mit der Wimper zu zucken nach links wischen.

Noch viel lieber würde ich auf dem Spezi-Tinder aber den Erfinder dieser unvergleichlichen Getränke-Symbiose treffen. Leider gibt es den aber nicht, denn warum nach dem zweiten Weltkrieg die Leute auf einmal anfingen, Cola und Orangenlimonade, zu mischen, bleibt ein ungelöstes Rätsel. Vermutlich war es eine genau so geniale und weltveränderne Zufallsentdeckung wie Penizillin – auf meiner persönlichen Liste der wichtigsten Entdeckungen der Menschheit sind beide zumindest gleich auf.

Diese Freude, wenn man verkatert entdeckt, dass der liquide Lebensretter schon auf einen wartet, ist mit nichts zu vergleichen.

Ich kann gar nicht zählen, wie oft ich mir schon selbst High Fives geben wollte, weil ich an einem Freitagabend in weiser Voraussicht ein Paulaner Spezi in den Tiefen des Kühlschranks deponiert habe – unter dem Sellerie, also dort, wo kein Mitbewohner und potentieller Spezi-Dieb je nachschauen würde. Diese Freude, wenn man verkatert entdeckt, dass der liquide Lebensretter – und mich hat Spezi bestimmt öfter gerettet als Penizillin – schon auf einen wartet, ist mit nichts zu vergleichen. Es ist eine ehrliche Freude, wie sie vermutlich sonst nur Kinder beim Anblick ihrer Lieblings-Glitzer-Diamant-Barbie unterm Weihnachtsbaum verspüren.

Und selbst, wenn man das Ganze dann mal nüchtern – also in all der Bedeutungsvielfalt, die dieses Adjektiv hergibt – betrachtet, dann ändert sich nichts an der Begeisterung für die braune Plörre, denn farblich kann Spezi bekanntermaßen so gar nichts. Aber hey, ich als Kind der 90er habe doch oft genug Glücksbärchis geschaut, um zu wissen, dass es nicht auf die Farbe ankommt, um mein Glücksbarometer in die Höhe schnellen zu lassen. Spezi sorgt sogar dafür, dass mir selbst der Regenbogen aus dem Bauch schießt – im übertragenen Sinn zumindest.

Spezi ist eine der harmonischsten Verbindungen, die diese Welt je hervorgebracht hat. Bonnie & Clyde, Maria & Josef oder H&M sind ein Scheiß dagegen.

Ich bin mir nicht sicher, mit wie vielen Menschen ich diese obszessive Liebe zu Spezi teile. Was ich weiß, ist, dass vor allem in München und Umgebung genug Potential vorhanden wäre, um von jetzt auf gleich eine Sekte zu gründen, die eine Gottheit in Form einer langhalsigen Bierflasche mit Etikett in Retro-Optik verehrt und sich regelmäßig in konspirativen Runden zusammenfindet, um über die transzendenten Erlebnisse im Spezi-Rausch zu sinnieren. Außerdem besteht ihr Jenseits aus einem Land, aus dessen Quellen Cola und Limo fließen, um sich in nie versiegenden Spezi-Flüssen zu vereinen und schließlich in den unendlichen Weiten eines Spezi-Ozeans zu versinken.

Ob es nun der, die oder das Spezi heißt, ist mindestens genau so eine Glaubensfrage wie die Wahl der Lieblings-Cola-Mix-Marke selbst.

Der einzige Punkt, der die Anhänger dieser Sekte – oder überhaupt alle Spezi-Fans – spaltet, ist die richtige Ansprache, denn ob es nun der, die oder das Spezi heißt, ist mindestens genauso eine Glaubensfrage wie die Wahl der Lieblings-Cola-Mix-Marke selbst. Abhängig ist das Ganze wohl in erster Linie vom Lokalkolorit, aber da wir in Bayern sind, plädiere ich für DER Spezi. Hauptsächlich weil der Wunsch nach dieser flüssigen Offenbarung am besten so klingt: „I brauch ganz dringend an Spezi!“

Doch sprachliche Ungereimtheiten hin oder her. Es steht fest: Was zunächst nur nach einer kurzzeitigen Liaison von Orangenlimo und Cola aussah, hat sich zu einer handfesten Beziehung entwickelt, einer der harmonischsten Verbindungen, die diese Welt je hervorgebracht hat. Bonnie & Clyde, Maria & Josef oder H&M sind ein Scheiß dagegen. Frei nach Aristoteles heißt es doch: "Das Ganze ist mehr als die Summe seiner Teile" und daher ist und bleibt jenes Getränk mein treuester Freund – mein Spezi eben.

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