Das München-ABC: S wie Stabi

München ist wahnsinnig schön – und manchmal auch ein bisschen langweilig, spießig und streng. Zu sauber und zu geregelt. Wenn dir auch jedes Mal auf der Isar-Brücke die Knie weich werden und dich aber nichts mehr aufregt als unsere Öffnungszeiten, Tanzverbote und Mutlosigkeit, dann bist du hier genau richtig. In unserem ABC schreiben wir auf, was wir an dieser Stadt unendlich gut, aber auch ziemlich beschissen finden. Diesmal: Die Stabi – ein Ort, den wirklich jeder Münchner schon von innen gesehen hat.

Es gibt ein paar Dinge, die hat vermutlich jeder Münchner (Ex-)Student einmal erlebt oder hat sie zumindest noch vor sich. Im Sommer Vorlesung schwänzen und stattdessen in den Englischen Garten gehen, sich durch die Hintertür auf Unipartys schleichen und sich zum Lernen (oder so tun) in die heiligen und ehrfurchtserweckenden Hallen der Bayerischen Staatsbibliothek aka Stabi zu wagen.

Dabei ist die Stabi bibliothekstechnisch der "Next Level Shit", denn es ist definitiv nicht so, dass man morgens aufwacht und in Jogginghose und Collegeblock unter dem Arm spontan entscheidet: "Ach, heute könnte ich doch mal in die Stabi gehen." Das Ganze ist ein Event, das einem klassischen Drama in fünf Akten gleicht.

1. Akt: "Ich lerne, also bin ich"

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Lernphasen an sich sind schon sensible Zeiträume, in denen Motivation und Verzweiflung wild Tango auf einem Drahtseil über der eigenen Zukunft tanzen. Momente, in denen der Antrieb der dominante Tanzpartner sind selten und müssen ausgenutzt werden. Am besten verlässt man für solche Momente sein Zuhause und sucht sich einen Platz zum Lernen, bei dem sich weder das eigene Bett noch der Kühlschrank in Sichtweite befinden.

In München gibt es dafür zum Beispiel über 70 Bibliotheken, in die man einfach hineinspazieren und schlau werden kann. Entscheidet man allerdings seinen Lerntag in der Stabi zu verbringen, muss man sich darüber im Klaren sein, worauf man sich da einlässt und in seinen höchst durchdachten und durchgetakteten Lernplan auch die unumgängliche Vorbereitungszeit einplanen.

2. Akt: "Alles lief nach Plan, aber der Plan war scheiße."

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Damit der Besuch in der Stabi nicht schon an der Tür endet, gibt es ein paar Dinge, die es zu beachten gilt und ihr dürft nicht vergessen, dass es sich um eine Staatsbibliothek in München, also in Bayern, also in Deutschland handelt und deshalb gibt es: Regeln! Neben Kleingeld fürs Schließfach solltest du daher auch nicht das ultimative Fashion-Accessoire vergessen: Die durchsichtige Plastiktüte. Denn ohne Tüte keine Competition. Da hilft auch keine Birkin Bag – außer sie ist eben durchsichtig und aus Plastik.

Neben den staatlichen Fashionvorgaben, gibt es natürlich auch noch soziokulturelle Aspekte und Normen, die euer äußeres Erscheinungsbild betreffen. Vor allem Menschen mit niedrigem Selbstwertgefühl sollten sich im Vorhinein eine Stabi-Uniform (die sich seit 2011 nicht geändert hat) bestehend aus Polohemd, roter Hose und Bootsschuhen für die Herren und Fellweste, Perlenohrringen und Lederboots für die Damen zulegen. Die perfekte Rüstung gegen abschätzige Blicke.

3. Akt: "Das ist die härteste Tür der Stadt."

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Wer glaubt, dass es in München schwierig sein kann in so manche Clubs reinzukommen, der war noch nie in der Stabi. Hier gibt es nämlich nicht nur eine Tür, sondern ein Drehkreuz und darüber thront der wohl härteste Türsteher der Stadt und beschützt den Lesesaal mit höchst exklusiven 636 Sitzplätzen. Ihm solltest du am besten nie direkt in die Augen blicken, sondern ihm unterwürfig deine Habseligkeiten entgegenstrecken und hoffen, dass er aufs grüne Drehkreuz-Knöpfchen drückt.

4. Akt: "Gar nicht mal so geil hier."

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Hast du es dann dank deiner akribischen Vorbereitung geschafft, wirst du allerdings nicht von Engelschören, sondern eher von Husten, Schnarchen und den Ausdünstungen gestresster Jura- und Medizinstudenten empfangen, deren Erbe von ihrem akademischen Grad abhängt.

Du läufst zwischen den Sitzreihen hindurch und ärgerst dich, dass du nicht schon um sechs Uhr morgens hier warst, um dir mit einem Handtuch den besten Platz zu sichern. Auf deinem Weg wirst du von dutzenden müden Augenpaaren gemustert, deren Ausdruck nur eines bedeutet: Verzweiflung.

5. Akt: "War cool, lass uns das nie wieder tun."

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Bist du bis eben also noch auf einer Wolke aus Begeisterung über die Herrschaftlichkeit dieses Gebäudes und Demut gegenüber der Sammlung von über zehn Millionen Werken durch die Gänge geschwebt – fragst du dich jetzt eigentlich nur noch wie du die heimatliche Lernumgebung aufgeben konntest, um sie gegen das hier einzutauschen und begibst dich auf kürzestem Weg zurück in dein Bermudadreieck aus Schreibtisch, Bett und Kühlschrank.

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