Die ungewöhnlichste Wohnung Münchens: Anne wohnt im Deutschen Museum
Gibt es eigentlich auch nur eine Person in München, die noch nicht im Deutschen Museum war? Irgendwie denken wir doch alle, dass wir es kennen, diesen prominenten Bau inmitten der Isar. Das Deutsche Museum steckt voller Naturwissenschaft und Technik. Sehr viel davon. 100.000 Objekte um genau zu sein. 25.000 davon sind ausgestellt, die anderen lagern in sieben Depots an geheimen Orten vor den Toren Münchens.
Das kann man alles noch wissen. Aber hast du gewusst, dass das Deutsche Museum 23 hauseigene Werkstätten hat? Es gibt Modellbauer, Buchbinder und allein in der in der Schreinerei arbeiten sechs Leute. Schneiderinnen gibt es selbstverständlich auch und die sind nicht nur zuständig für die Exponate, sondern auch für die Dienstbekleidung und die Ausstattung der Gästeappartements.
Gästeappartements? Jawohl! Im Deutschen Museum kann man auch leben und zwar als Scholar in Residence. Ich wollte wissen, wie es sich im Museum schläft und habe Anne Biber getroffen, die seit April auf der Insel forscht und lebt.
Anne ist 31, Restauratorin und arbeitet in Wien am Technischen Museum. Für ihre Promotionsarbeit wollte sie in Ruhe forschen, bewarb sich um das Stipendium des Deutschen Museums und zog im April in das Gästeappartement Nummer 2. Wobei Appartement recht apart klingt – so groß sind die Zimmer dann doch nicht. Aber die Aussicht dafür umso großartiger. Der Blick vom Gang geht hinüber auf die Isarseite Richtung Europäisches Patentamt. Ihr Zimmerfenster reicht in einen kleinen, idyllischen Museumsinnenhof. Ansonsten: Bett, Schreibtisch, minimalistische Küche, Bad und Couch. Annes Lieblingsplatz ist der Fenstersims.
Anne führt mich durch den Hintereingang in die Bib. Sie hat von ihrem Zimmer direkten Zugang zur Museumsbibliothek. Die ist mit 950.000 Bänden übrigens die größte Museumbibliothek Deutschlands und steht jedem offen. Aber ist es nicht komisch, so nah an der Arbeit zu leben? Anne genießt es: „In den ersten Wochen war das Wetter so grauslig, da war ich fast nur auf der Insel. Aber es ist ja nicht so, dass hier kein Mensch ist. Das Museumsleben ist was ganz besonders. Es arbeiten Hunderte von Leuten hier und dazu noch die Studenten in der Bib.“
Es sitzen einige von ihnen an den Tischen, aber nichts im Vergleich zur StaBi. Es gibt ausreichend Raum und ausreichend Ruhe. Neben der Literatur zu Naturwissenschaft und Technik liegen auch reihenweise aktuelle Fachmagazine aus. Ehrlich, an einem verregneten Tag muss ich wieder kommen und mich hier durchblättern. „Der Knochenbrecher“ (die Zeitschrift für Liebhaber historischer Fahrräder), „Die Fleischerei“ (ähm, okay), „Das schöne Allgäu“ (meine Heimat) – und zig Zeitschriften über Nischen, von deren Existenz man nichts wusste.
Aber wie schläft es sich nun im Museum? „Tief und fest“, meint Anne und lacht. Man möchte gerne mal mit ihr tauschen, wenn sie von diesem Inselleben erzählt. Das Deutsche Museum ist eine Welt für sich mitten in München (und mitten in der Isar). Tagsüber wuseln hier Tausende von Besuchern, dazu das kunterbunte Museums-Team. Aber keine Sorge, Anne hat inzwischen auch das Münchner Leben abseits der Insel entdeckt. Gott sei Dank.
„Aber meistens sind wir an der Isar rauf und runter. So wie ganz München oder? Jeder ist an der Isar, weil es einfach so schön ist.“ Ja, jeder ist an der Isar, aber keiner von uns bleibt dort Tag und Nacht, weil er auch inmitten der Isar lebt. Nachts ist dann nichts mehr los auf der Insel, erzählt Anne. Und manchmal hört sie das Knarzen, wenn der Nachtwächter seine Runden zieht.