Von Neukölln nach Untergiesing: Bairisch für Dummies

© Anna Rupprecht

Spätestens, als unsere Autorin Johanna aus Neukölln mit dem Transporter in die neue Straße in Giesing einbiegt, ist ihr klar: Das hier wird anders. In ihrer Kolumne "Von Neukölln nach Untergiesing" schreibt sie nun jede Woche auf, wie sie München kennenlernt und welche Unterschiede ihr besonders auffallen. Was sie liebt (den V-Markt!), was sie hasst (kein günstiges Schawarma hier!) und warum München manchmal doch gar nicht so anders ist als Berlin.

Eigentlich bin ich extrem anpassungsfähig was Dialekte angeht. Hessisch spreche ich sowieso schon aus biografischen Gründen fließend (20 Jahre Feldforschung im ethnologisch noch wenig erschlossenen, vorderen Odenwald), in Berlin hat mich sogar mal ein geborener Kreuzberger eine Sekunde lang für eine Ur-Berlinerin gehalten, sächseln kann ich auf Sprachniveau B1 und im Ruhrpott passe ich mich dank meiner perfektionierten Hausmeister-Krause-Imitation an wie ein Chamäleon.

Aber Bairisch, zefix, ist echt 'ne harte Nummer. Bairisch ist der dialektale Endgegner.

Mit Bairisch allerdings kam ich bis vor einigen Monaten eigentlich nur durch verwirrte Ansprachen von Edmund Stoiber, den Münchner Tatort und den News aus'm Paulanergarten in Berührung. Da dachte ich noch: Bairisch. Ist doch eigentlich ganz süß!

Aber Bairisch, zefix, ist echt 'ne harte Nummer. Bairisch ist der dialektale Endgegner. Jegliche Regeln der Grammatik werden aufgehoben, Wörter neu erfunden, die absolut keinen Sinn ergeben und den Grad an Nuschelei, der von Nöten ist, um diese Königsdisziplin der Mundart zu perfektionieren, muss man sich vermutlich über mehrere hundert Maß und Sprachreisen in etliche Bierzelte mühsam aneignen.

Griabig - dieses Wort klingt sowas von ungriabig!

Mein bairisches Lieblingswort ist „griabig“. Denn es steht stellvertretend für die Absurdität des Dialekts. „Griabig“ – dieses Wort klingt sowas von ungriabig! Als ich es zum ersten Mal gehört habe, war meine erste Assoziation eher sowas wie „eklig“, „räudig“ oder „dreckig“. Aber nein, es bedeutet das genaue Gegenteil: gemütlich, angenehm, leiwand, es passt ois! So verhält es sich mit auffällig vielen Begriffen – und regelmäßig bin ich komplett verwirrt. Was soll das, Bayern? Wieso setzt du die Regeln der Linguistik außer Kraft? Immer diese Extrawürschte, kruzefix!

Ähnlich verwundert war ich, als ich erfuhr, dass auf Bairisch „Fotzn“ schlicht und ergreifend „Mund“ bedeutet. Okay cool, wieso nicht?! Außerdem – sehr innovativ – kann man das Wort auch als Verb benutzen: Dann bedeutet es „ohrfeigen“. I fotz, du fotzt, er/sie/es fotzt, mia fotzn, ihr fotzts, sie fotzen! Ich kann nicht glauben, dass ich dieses Wort gerade dermaßen oft in einer offiziellen Kolumne benutzt habe. Bayern eröffnet mir einfach immer wieder ungeahnte Türen.

Mein Ziel: Nach einem Jahr Bayern will ich fluchen können wie Franz Beckenbauer persönlich.

Wie man erahnen kann, ist der bairische Dialekt für mich ein nie versiegender Quell an Verwunderung und Freude. Und weißt du was, Bayern? Challenge accepted! Mein Ziel: Nach einem Jahr Bayern will ich fluchen können wie Franz Beckenbauer persönlich. Und nu: Schleichts eich!

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