Die Bowl: Der heilige Gral der Münchner Gastronomie
Wir schreiben das Jahr 2018. Es ist kein großes Jahr für den deutschen Fußball, kein großes Jahr für die bayerische Politik und kein großes Jahr für flaches Porzellan. Teller sind wie C-Promis, die sich zu lange auf einstigen Errungenschaften ausgeruht haben und nun den Erfolgszug an sich vorbeirauschen sehen, während sie selbst in den Sphären der Belanglosigkeit verpuffen. Ihren letzten großen Auftritt inklusive völliger Selbstzerstörung erleben sie dann im Dschungelcamp oder eben am Polterabend. Statt TV-Stars gibt es jetzt Youtuber und statt Tellern eben Bowls.
Wir loben München ja gerne für seine Hype-Resistenz, aber wenn dann doch ein Food-Trend die Mauern der bayerischen Wirtshauskultur durchbricht, dann bleibt er auch erst mal und wird von vorne bis hinten ausgeschlachtet. Siehe Burger, denn der ist immer noch nicht tot. Der neue heilige Gral der Münchner Gastronomie im Jahr 2018 ist kein Kelch und wohl auch kein Bierkrug mehr – es ist eine Schüssel. Und so sprießen die Lokale, die ihre vermeintlichen kulinarischen Offenbarungen in Bowls servieren, aus dem Boden wie Pilze nach einem spätsommerlichen Gewitter.
Der neue heilige Gral der Münchner Gastronomie im Jahr 2018 ist kein Kelch und wohl auch kein Bierkrug mehr – es ist eine Schüssel.
Dabei ist das kein Vorwurf gegenüber der Münchner Gastroszene, die sich jetzt ganz schnell von allen Tellern trennt und sich Poke, Bowl und irgendwas mit Superfood auf die Speisekarten kritzelt. Ganz im Gegenteil, denn die wollen ja auch bloß ihre Miete zahlen – und den Porsche. Es ist einfach nur spannend, wie gut die Schüssel in München funktioniert. Könnte daran liegen, dass wir glauben anspruchsvoll zu sein, aber uns doch bloß das Label, der In-Faktor und der Preis als Qualitätskriterium ausreichen – völlig wurscht, was eigentlich in der Schale landet.
Vielleicht ist die Bowl aber auch einfach das Sinnbild für den jungen, urbanen, hippen Münchner – oder vor allem für die Münchnerin und alles, was sie gerne sein will. Schön, fotogen, healthy und beliebt. Die Bowl ist das perfekte Bindeglied zwischen zwanghaftem Clean Eating und der frisch-fröhlichen Selbstinszenierung in den sozialen Medien. Man kann ohne schlechtes Gewissen ins Restaurant gehen, ein schickes Foto davon machen und ist plötzlich nicht mehr das spaßbefreite Salat-und-Mineralwasser-Girl. Geiel!
Den Teller geben wir derweil nicht auf, denn am Ende ist die Bowl doch auch nur Scheiß mit Reis.
Der zaghafte Beginn der Bowlisierung lässt sich wohl so grob vor zwei Jahren verorten, als sich die ersten Lokale an das Thema wagten und die bunten Schalen bereits in unseren Instagram-Feeds auftauchten. Das verlief etwa zeitgleich mit der Erkenntnis vieler vietnamesischer Köche, dass sie nicht mehr eingedeutschte China-Gerichte à la Ente Chop Suey zubereiten müssen. Denn der gemeine Münchner fährt tatsächlich total auf Bun Bo, Pho, Banh Mi und Co. ab – und kommt eben auch gut mit der Servierform Schüssel klar.
Gemeinsam haben diese kulinarischen Entwicklungen den Weg in den gastronomischen Münchner Mainstream geschafft. Eine Schüssel wäscht die andere. Dabei ist ein Ende der Bowl-Ära noch nicht in Sicht. Es fühlt sich eher so an, als würde der Hype gerade noch mal so richtig Schwung holen, um sich dann wie der Burger in den Lokalen dieser Stadt festzusetzen. Den Teller geben wir derweil nicht auf, denn am Ende ist die Bowl doch auch nur Scheiß mit Reis. Und so lange die Erde noch rund und die Pizza flach ist, wird es zum Glück auch noch Platz für plattes Porzellan geben.