Kleine, geile Firmen #40 – Faire Mode aus Malawi von Khala

© Ida Heinzel

Modelabel gründen kann ja jeder. Geld spenden auch. Melanie Rödel, die sich seit Jahren aktiv für Hilfsprojekte in Süd-Ost-Afrika einsetzt, wollte etwas unternehmen, um die Menschen in Malawi nachhaltig zu unterstützen. Deshalb gründete sie kurzerhand ihr eigenes faires Modelabel: Khala. Es soll die Mitarbeiter in Malawi gleichberechtigt mit einbeziehen und fair bezahlte Arbeitsplätze schaffen.

Die Schneider*innen bei Khala haben so die Möglichkeit, sich durch eigenständige Arbeit einen Weg aus der ökonomischen Armut in einem der ärmsten Länder der Welt zu bahnen. Das Label ist also gleichzeitig wirtschaftendes Modelabel und zukunftsgerichtetes, soziales Projekt.

Faires Modelabel und soziales Projekt

In einem Studio in der Hauptstadt Lilongwe fertigt ein kleines Team aus Schneider*innen Jacken, T-Shirts, Röcke, Hosen und Accessoires in Handarbeit an. Das Besondere daran sind die wunderschönen, bunt gemusterten afrikanischen Chitenje-Stoffe, die für die Produkte verwendet werden. Um das Projekt mit einer Crowdfunding-Aktion zu starten, hat sich Mel mit Benedikt Habermann zusätzliche Unterstützung ins Boot geholt. Das Crowdfunding wurde im Juni 2017 erfolgreich abgeschlossen. Nach einem holprigen ersten Start der Produktion, sind sie zusammen nach Malawi geflogen und haben in Lilongwe eine kleine Werkstatt aufgebaut.

Seit Oktober 2017 kann man die Handarbeiten im Khala Onlineshop kaufen. Das Schöne daran ist, dass zwei sehr nette Menschen einfach Gutes tun, weil sie hinter der Sache stehen. Die beiden halten sich mit Nebenjobs über Wasser und hängen sich seit Jahren rein, um einen nachhaltigen Unterschied zu bewirken. Bemerkenswert ist außerdem, dass das Projekt über lange Zeit interkontinental per Whats App organisiert wurde. Wir haben uns mit Bene getroffen und uns mit ihm darüber unterhalten, warum sie das alles tun und warum Khala nicht einfach nur eines der vielen neuen Modelabels ist.

Benedikt Habermann Khala kleine geile Firma
© Ida Heinzel
Benedikt Habermann Khala kleine geile Firma
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Wie habt ihr es geschafft Khala aus dem Nichts hochzuziehen?

Nachdem Mel mich mit ins Boot geholt hat, sind wir nach Malawi geflogen und haben dort eine Werkstatt in Lilongwe angemietet. Mit dem Geld der Crowdfunding-Kampagne haben wir Maschinen, Werkzeuge und Stoffe gekauft. Ein wahnsinniger Prozess war das. Letztendlich haben wir es aber geschafft, den Laden in zwei Monaten zum Laufen zu bringen. Bis kurz vor Weihnachten waren wir noch vor Ort, dann haben wir das Ganze mehr oder weniger sich selbst überlassen. Bis vor kurzem haben wir noch das ganze Business über Whats App geführt. Dafür hat es wirklich erstaunlich gut funktioniert! Seit September ist Mel jetzt wieder vor Ort und arbeitet mit den Schneider*innen zusammen in der Werkstatt. Das macht es natürlich einfacher.

Wie genau arbeitet ihr bei Khala?

In Lilongwe arbeiten derzeit vier feste Schneider*innen. Mel ist vor Ort in der Schneiderei und ich arbeite vom Computer und Handy aus. Wir werden zusätzlich noch von Hubi, einem Freund von uns, mit Fotografie und Grafik unterstützt. Letztes Jahr haben wir im Impact Lab einen Coworking Space für drei Monate gewonnen, in der Zeit haben wir von dort aus gearbeitet.

Die Schnitte der Jacken hat ein Münchner Atelier entworfen. Die beiden Mädels von Piekfein Design haben sich bereit erklärt, uns für wenig Geld zu unterstützen.
Bene

Wie habt ihr Schneider*innen aus Malawi gefunden?

Bei der Vorbereitung für die Crowdfunding Kampagne hat Mel eine Designerin in Malawi ausfindig gemacht, mit der sie eine Kooperation aufgebaut hat. Über sie haben wir dann die Schneider und Schneiderinnen gefunden. Die Kooperation mit ihr mussten wir leider beenden, weil wir andere Ansichten über das Projekt hatten. Als wir zum zweiten Mal in Malawi waren, wussten wir, dass es die Schneider gibt, aber hatten keine Möglichkeit mit ihnen in Kontakt zu treten. Wir sind dann also auf Fahrrädern in die Vororte von Lilongwe gefahren, haben Leuten auf der Straße Bilder gezeigt und rumgefragt, ob jemand weiß, wo wir sie ausfindig machen könnten. Das hat tatsächlich funktioniert.

Wer entwirft die Klamotten, die ihr produziert?

Die Schnitte der Jacken hat ein Münchner Atelier entworfen. Die beiden Mädels von Piekfein Design haben sich bereit erklärt, uns für wenig Geld zu unterstützen. Eine der beiden Designerinnen war beim ersten Anlauf in Malawi auch dabei und hat den Schneidern einen kleinen Workshop gegeben, wie die Schnittmuster am besten verarbeitet werden. Die Mitarbeiter sind gelernte Schneider, hatten aber zu Beginn eine ganz andere Arbeitsweise als wir. Wir haben zusammen ein bisschen getüftelt und einen gemeinsamen Standard für die Produkte festgelegt. Die damals entworfenen Schnitte haben wir im Laufe des Prozesses mit unseren Mitarbeitern weiterentwickelt und verwenden sie immer noch.

Benedikt Habermann Khala kleine geile Firma
© Ida Heinzel

Welche Stoffe und Materialien verwendet ihr für eure Produktion?

Mittlerweile fertigen wir hauptsächlich Kleinserien an. Also die gleichen Schnitte, aber immer andere Stoffe. Die kaufen wir auf dem lokalen Markt ein. Wir verwenden nur Baumwolle und kein Polyester, es soll so natürlich wie möglich sein. Das ultimative Ziel ist es natürlich, die Stoffe selbst zu produzieren, damit wir eine komplett nachhaltige und faire Lieferkette haben. Das Innenfutter der Jacken ist aus Jersey-Stoff – haben wir ursprünglich falsch bestellt, dann aber gemerkt, dass es innen recht flauschig ist. Seit Kurzem arbeiten wir auch zum ersten Mal mit Hanf-Stoffen. Die Muster und der Stil der Stoffe sind ganz unterschiedlich. Manche Stoffe, die wir verwenden sind beispielsweise ursprünglich für den kongolesischen Markt gefertigt worden und viel geometrischer gemustert, als Stoffe für Malawi oder Südafrika.

Wie finanziert sich euer Projekt?

Erst waren wir auf Spenden angewiesen und haben uns aus dem restlichen Geld der Crowdfunding-Kampagne finanziert. Außerdem haben wir bei „Gutes Beispiel” von Bayern2 mitgemacht, dort den zweiten Platz belegt und ein bisschen Preisgeld bekommen. Mittlerweile trägt sich Khala selbst. Die letzten Monate haben wir immer am Existenzminimum gewirtschaftet und es hat gerade so funktioniert. Alles was wir einnehmen geht wieder in das Projekt. Eine Jacke kostet beispielsweise knapp 90 Euro. Pro Jacke gehen sieben Euro an den Schneider und der Rest fällt auf Fixkosten ab, wie Miete, Maschineninstandhaltung und Versand. Wir bezahlen den Schneidern einen fairen Lohn, Essensgeld und die Schulkosten ihrer Kinder. Übrig bleibt momentan also nichts, wir merken aber, dass es jetzt langsam los geht und wir größere Sprünge machen können.

Wir bezahlen den Schneidern einen fairen Lohn, Essensgeld und die Schulkosten ihrer Kinder.
Bene

Welche Produkte fertigt ihr an und wo kann man eure Sachen kaufen?

Wir produzieren momentan Jacken, Shorts, Röcke und einige Accessoires, wie Haarbänder und Fliegen. Vor kurzem haben wir Wendejacken in unser Sortiment aufgenommen, die sehr gut ankommen. Außerdem experimentieren wir gerade ein bisschen herum und versuchen uns an etwas dickeren Jacken für kältere Tage. Kaufen kann man alles natürlich in unserem Onlineshop und seit Neustem auch über den Avocadostore und Etsy. Im Sommer waren wir mit unseren Sachen auf einigen Festivals unterwegs und haben ab Dezember auf dem Märchenbazar einen kleinen Stand.

Was unterscheidet Khala von anderen Modelabels?

Besonders ist auf jeden Fall, dass es in erster Linie ein soziales Projekt ist. Auch wenn es ein kapitalistisches Unternehmen ist – die ganzen Gelder landen ja wieder in dem Betrieb in Malawi. Außerdem ist bemerkenswert, dass uns wahnsinnig viele Leute gerne für lau unterstützen. Jeder von unseren Freunden, der etwas besonders gut kann, ist schon mal eingespannt worden. Viele wollen helfen, ob Grafiken basteln, einen Stand bauen oder Schichten am Märchenbazaar übernehmen.

Viele wollen helfen, ob Grafiken basteln, einen Stand bauen oder Schichten am Märchenbazar übernehmen.
Bene
Benedikt Habermann Khala kleine geile Firma
© Ida Heinzel
Benedikt Habermann Khala kleine geile Firma
© Ida Heinzel

Wie gestalten sich bei euch Produktion, Lieferung und Lagerung?

Die Maschinen die wir verwenden, haben wir gebraucht aus Südafrika bekommen. Ursprünglich war der ganze Grundgedanke, dass wir möglichst alle Materialien, die wir verwenden aus Malawi beziehen, um die Wirtschaft vor Ort anzutreiben. In Malawi hat es mal eine sehr blühende Textilindustrie gegeben. Die ist durch die ganzen Second Hand-Importe aus dem Westen aber komplett zusammengebrochen. Eine Grundidee von uns war erst, diese Industrie zu beleben und vielleicht auf schon bestehenden Strukturen aufbauen und mit Firmen zu kooperieren. Das hat aber leider nicht geklappt. Alles was wir in guter Qualität bekommen können, kaufen wir vor Ort auf dem Markt. Die restlichen Materialien beziehen wir aus Südafrika, wo es mehr Infrastruktur und dadurch auch eine bessere Qualität der Produkte gibt.

Slow-Fashion ist es natürlich im wahrsten Sinne des Wortes. Es kommt eben nicht der DHL-Mann und nimmt täglich 50 Pakete mit – die Sachen werden aus Lilongwe per Flugzeug verschickt und ich fahre dann alle zwei Tage ein paar Pakete zur Post. Die Leute haben aber zum Glück die Geduld, auf die Produkte zu warten. Wenn sie auf unserer Website bestellen, verstehen sie, welcher Prozess dahintersteckt und dass die Abwicklung einfach ein bisschen länger dauert. Die Produkte bestellen wir im Voraus und lagern sie bei mir Zuhause auf dem Speicher, da ist zum Glück viel Platz.

In Malawi hat es mal eine sehr blühende Textilindustrie gegeben. Die ist durch die ganzen Second Hand-Importe aus dem Westen aber komplett zusammengebrochen.

Welchen Problemen seht ihr euch in eurem Projekt gegenübergestellt?

Anfangs war es schwierig mit den Mitarbeitern aus Malawi auf einen gemeinsamen Nenner zu kommen. Dort herrschen ganz andere Grundvoraussetzungen und die Menschen haben eine andere Mentalität und Arbeitseinstellung. Außerdem ist Malawi ein wahnsinnig korruptes Land, da ist schon einiges an Geldern und Stoffen im sogenannten „Malawianischen Nebel” verschwunden.

Es fehlt zudem noch ein bisschen das Verständnis, wie sich der Preis unserer Produkte zusammensetzt. Man kann sich für das Geld natürlich auch drei Jacken bei H&M kaufen, die haben dann aber natürlich aber eine andere Qualität und sind unter ganz anderen Bedingungen hergestellt worden. Ich glaube aber, dass es immer Ups und Downs gibt, wenn man ein Business gründet. Wenn man gerade denkt, dass es bergauf geht, passiert irgendwas und es geht wieder steil bergab. Das gehört halt dazu! Immerhin bleibt es dadurch durchgehend spannend.

Benedikt Habermann Khala kleine geile Firma
© Ida Heinzel
Benedikt Habermann Khala kleine geile Firma
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Warum macht ihr euch den ganzen Stress?

Die ursprüngliche Motivation kam von Mel, die sich aus den Entwicklungshilfeprojekten heraus überlegt hat, wie man etwas mit mehr Impact machen kann. Wir sind wirklich sehr ideologisch unterwegs mit Khala. Uns geht es nicht ums schnelle Geld. Wenn unser Ziel gewesen wäre, schnell reich zu werden, hätten wir viele Dinge anders gemacht und andere Prioritäten gesetzt.

Wir möchten alles wirklich gut und richtig machen und nehmen dafür in Kauf, dass es eben länger dauert. Mit einem Investor wäre es beispielsweise einfacher gegangen. Wir finden es aber gut, uns unsere Unabhängigkeit beizubehalten und unser eigenes Ding durchziehen zu können. Khala ist ein tolles Projekt, hinter dem ich stehen kann und dann komme ich auch mit weniger Geld zurecht. Ewig so weitergehen kann es natürlich nicht, da es schon extrem viel Arbeit ist und wir nebenher noch andere Jobs machen müssen, um uns über Wasser zu halten.

Khala ist ein tolles Projekt, hinter dem ich stehen kann und dann komme ich auch mit weniger Geld zurecht.
Bene

Was sind eure Pläne für die Zukunft?

Am Anfang hatten wir die Utopie, dass wir Flag Stores in anderen Städten gründen. Davon haben wir uns jetzt schon so ein bisschen verabschiedet, weil wir realisiert haben, dass es nicht so einfach ist schnell zu wachsen. Bis vor zwei Monaten haben wir noch die ganze Zeit am Handy gehangen und haben WhatS App-Nachrichten mit der Schneiderei in Malawi ausgetauscht und versucht, alles von hier aus zu regeln. Jetzt, nachdem Mel wieder vor Ort ist, können wir uns darauf konzentrieren, die Zukunft zu planen und haben viele Ideen. Auf der To-Do Liste stehen auf jeden Fall auch Pop Up-Stores und der Verkauf unserer Klamotten in nachhaltigen Läden.

München legt gern selbst Hand an. Fast jede Woche gründet sich hier eine neue Firma, wird ein neues Label vorgestellt oder neues Produkt lanciert. Wir stellen euch die kleinen, geilen Firmen der Stadt vor. Die Bedingungen sind simpel. Klein müssen sie sein, das heißt weniger als zehn Mitarbeiter und natürlich: Geil.

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