Von Neukölln nach Untergiesing: Krapfen, Berliner oder Pfannkuchen?

© Anna Rupprecht

Spätestens, als unsere Autorin Johanna aus Neukölln mit dem Transporter in die neue Straße in Giesing einbiegt, ist ihr klar: Das hier wird anders. In ihrer Kolumne "Von Neukölln nach Untergiesing" schreibt sie nun jede Woche auf, wie sie München kennenlernt und welche Unterschiede ihr besonders auffallen. Was sie liebt (den V-Markt!), was sie hasst (kein günstiges Schawarma hier!) und warum München manchmal doch gar nicht so anders ist als Berlin.

Inzwischen würde ich von mir behaupten, dass ich in München angekommen und den Kulturschock überwunden habe. Kulturschock? Unwissende lachen mich gerne mal aus, wenn ich diese Formulierung wähle. Aber die Liste an Dingen, die in München anders laufen, ist tatsächlich ziemlich lang.

Richtig kompliziert wird es übrigens ausgerechnet bei Berlinern, also Krapfen. Die heißen nämlich in Berlin Pfannkuchen, was in meiner Welt etwas völlig anderes beschreibt.

Eingeborenen Bayern fallen diese Details natürlich nicht auf. Aber es fängt schon bei Kleinigkeiten an: Nämlich bei den kleinsten Wörtern. Zum ersten Mal bemerkt habe ich dieses unausgesprochene Regelwerk an dem Todesblick, den mir die Frau in der Bäckerei zugeworfen hat, als ich nach einer Stulle gefragt habe. Ja, ich weiß, das sagt man hier nicht! Aber es darf einem doch mal rausrutschen, oder?

Ähnlich fallen die Reaktionen aus, wenn ich aus alter Gewohnheit in der Kneipe nach einem Pils frage. Oder versuche, bloß mit dem richtigen Begriff Brötchen zu kaufen. Semmel, Weck, Schrippe – wer soll denn da den Überblick behalten?! Richtig kompliziert wird es übrigens ausgerechnet bei Berlinern, also Krapfen. Die heißen nämlich in Berlin Pfannkuchen, was in meiner Welt etwas völlig anderes beschreibt. In meiner Heimat heißen sie Kreppel, in München aber Berliner. Hä?

Leberkas wurde außerdem ganz automatisch zu einem Grundnahrungsmittel, das ich mir vorher einmal im Jahr bei den Aldi-Sonder-Bayernwochen gegönnt habe, wenn überhaupt.

Wie ihr seht: Es ist kompliziert. Besonders in den Phasen, in denen ich mich viel zwischen den Städten bewege, kann es dann schon mal passieren, dass ich ein bisschen durcheinander komme. Sag ich jetzt Servus, Gude oder „Na, du alte Flitzpiepe“?

Interessant sind auch die bayerischen Essensgepflogenheiten, an die ich mich durchaus erst mal gewöhnen musste: Zum Beispiel die extreme Relevanz von Senf und die endlosen Diskussionen, die man hier darüber führen kann, ob scharf, mittelscharf oder süß am besten zu Leberkas passt. Leberkas wurde außerdem ganz automatisch zu einem Grundnahrungsmittel, das ich vorher eher als exotischen Snack aus dem fernen Süden kannte und mir vorher einmal im Jahr bei den Aldi-Sonder-Bayernwochen gegönnt habe, wenn überhaupt.

Die Breze ist für den Bayer das, was Nudeln für die Ludolfs sind. Universalfeinkost!

Ähnlich verhält es sich mit Weißwurstfrühstück: Für mich vorher immer eine Art merkwürdige Nischen-Nahrung, hier das Normalste der Welt. Die ständige Präsenz von Brezen ist auch etwas, das mir aufgefallen ist: Die Breze ist für den Bayer das, was Nudeln für die Ludolfs sind. Universalfeinkost! Morgens, mittags, abends Breze, warm und kalt, salzig und süß!

So oder so ist es erstaunlich, wie 600 Kilometer Abstand so viele kulturelle Unterschiede erzeugt. Ich fühle mich manchmal immer noch wie eine Ethnologin auf Entdeckungstour – zum Beispiel, wenn man mir das Konzept des KVR erklärt oder wieso am Flaucher im Sommer plötzlich alle nackt sind.

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