Busfahrer-Kolumne #5: Der Tag, an dem es beinahe gekracht hätte

© Marie Lechner

Busfahrer sind unsichtbar, erzählt uns Julius Klemz, der früher das Café Bald Neu in Untergiesing betrieben hat. Danach hat er sich bei der MVG zum Busfahrer ausbilden lassen, genießt nun die Kontinuität, Sicherheit und den bequemen Fahrersitz des neuen Jobs. Aber natürlich passieren ihm auch immer wieder verrückte, skurrile, traurige und schöne Geschichten. Und die erzählt er von nun an in unserer Busfahrer-Kolumne.

Heute habe ich § 1 StVO ganz dicht gestreift. Für alle, die hier nur Busbahnhof verstehen: die Straßenverkehrsordnung, die die beiden Grundregeln beinhaltet – man soll vorsichtig fahren, es soll niemand anderes beschädigt werden. Man tut als Busfahrer ja immer sein bestes, ist höchstkonzentriert, aber klar ist auch: Wer jeden Tag Auto, beziehungsweise einen riesigen Bus fährt, der steigert natürlich auch seine Unfallgefahr potenziell. Und so war ich immer heilfroh, dass mir bisher noch gar nichts passiert ist.

Für alle, die nur Busbahnhof verstehen: die Straßenverkehrsordnung, die die beiden Grundregeln beinhaltet – man soll vorsichtig fahren, es soll niemand anderes beschädigt werden.

Bis ich eben letzte Woche meinen agilen Gelenker, bemalt mit der Linie 59 Richtung Giesing, ab der Münchner Freiheit auf der Leopoldstraße stadtauswärts steuerte. Durch eine Baustelle war die sonst zweispurige Fahrbahn auf eine verengt, da dort im Moment ein Kran aufgebaut ist. Mit Baustellen aller Art – und davon gibt es in München ja eigentlich immer genug – müssen Busfahrer dealen können.

Da ich den Abstand von Baustellenzaun, Bus und Bordstein auf der anderen Seite durch das ständige Vorbeifahren hier mittlerweile aber sehr gut abschätzen kann, gab ich auf der freien Strecke ab der Münchner Freiheit nun ein wenig Gas. Ich kam der Verengung näher und sah vor der Baustelle ein Auto parken, aus dem zwei Männer etwas aus dem Kofferraum holten. Ich bremste ab und dachte mir noch: "Nicht das einer von denen ohne sich umzudrehen auf die Straße und eben genau auf meine tritt!"

Mein Herz pochte so laut. Das war das erste Mal in meiner Busfahrer-Karriere, dass ich beinahe einen Unfall gebaut hätte.

Und genauso geschah es dann auch. Ich konnte es nicht fassen. Der eine Mann hatte vorher nicht mal annähernd in meine Richtung geschaut oder sich umgedreht, er war einfach vor der Baustelle auf meine Fahrbahn getreten, um in sein Auto zu steigen. Der Rückspiegel muss eine Sekunde seine Nase leicht berührt haben, es war nur noch so viel Platz zwischen Bus und Baustellenabsperrung, dass er schräg stehen musste. Im Gelenker schrie eine Frau laut auf und ein Mann brüllte.

Ich bremste ab und kam zum Stehen. Ich drehte mich zu ihm um, schaute ihn fassungslos an, er entschuldigte sich, ebenfalls sichtlich schockiert, dann fuhr ich weiter. Hätte ich nicht frühzeitig abgebremst, hätte ich ihn voll erwischt. Mein Herz pochte so laut. Das war das erste Mal in meiner Busfahrer-Karriere, dass ich beinahe einen Unfall gebaut hätte. Nicht nur, dass die Seele mit sowas lange kämpfen muss, wir Busfahrer haften ja auch für unsere Unfälle. Klar, sowas wird immer untersucht, aber am Ende müssen wir für unsere Fehler selbst gerade stehen. Ist auch gut so, aber mein Herz pocht immer noch.

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