Warum sind alle meine Freunde plötzlich so verrückt nach Pflanzen?

© Unsplash | Prudence Earl

Eine Bekannte gibt in letzter Zeit wahnsinnig gerne Zimmerpflanzen-Tipps zum Besten, ein guter Kumpel hat sogar einen eigenen Instagram-Account für seine Neuankömmlinge und mein bester Freund sagt mir mittlerweile ab, weil er sich den ganzen Tag um seinen Balkon kümmern muss. Ganz ernsthaft – und wir sind noch keine pensionierten Eigenheim-Besitzer im Münchner Umland.

Wir sind eher in der Lebensphase, in der man in Pärchenwohnungen zieht, sich eine Edelstahl-Siebträgermaschine kauft und zweihundert Euro für Leinenbettwäsche ausgibt. Die, in der man eigentlich schon ein Nest baut, ohne zugeben zu wollen, dass man ein Nest baut. In der man es sich zuhause so richtig gemütlich macht. Für sich, versteht sich. In der unordentliche WG-Küchen und Balkone als Bierkästen-Abstellplatz der Vergangenheit angehören – und lieber schön gemacht werden wollen.

Was könnte ein schönerer Anfang des Kümmern sein, als sich seine erste Monstera nach Hause zu holen und jeden Tag nachzugucken, wie es ihr so geht?

Es ist eine Zeit, in der man jeden Sommer auf eine Hochzeit mehr eingeladen ist. In der Freunde Babys bekommen und die eigenen Eltern einem bei diesem Thema schon eifrig zuzwinkern. Aber es ist auch die Phase, in der man selbst, wie man sagt "noch meilenweit" vom Kinderkriegen entfernt ist. Und hier kommen die Pflanzen ins Spiel. Denn was könnte ein schönerer Anfang des Kümmerns sein, als sich seine erste Monstera nach Hause zu holen und jeden Tag nachzugucken, wie es ihr so geht?

Die Pflanze ist das erste und einfachste Commitment, das man eingeht. Die Verantwortung zu tragen, sich um ein – wenn auch grünes – Lebewesen zu kümmern, das auch dann gegossen werden möchte, wenn man nicht in der Stadt ist. Und das es einem schwer büßt, wenn man es dann doch vergisst. Natürlich ist es kein Weltuntergang, wenn eine Topfpflanze eingeht, aber man ärgert sich. Über das Geld, das Fortbringen, vor allem aber über sich selbst, weil man denkt: "Bekomm' ich denn nicht mal das hin, diesen Gummibaum am Leben zu erhalten?" Die Eltern würden wahrscheinlich sagen: Nein.

Plötzlich ertappt man sich dabei, wie man abends mit Freunden in einer Bar sitzt und sich über das neue Citrus-Bäumchen unterhält.

Also versucht man sich erneut, googelt plötzlich "wie oft muss man Tomaten gießen?" und ertappt sich dabei, wie man abends mit Freunden in einer Bar sitzt und sich über das neue Citrus-Bäumchen unterhält, dem es so prächtig geht, dass fast jeden Tag eine neue Frucht ersprießt. Gruselig ist das, aber irgendwie natürlich auch schön, weil man mächtig stolz ist und auch stolz sein kann.

Das Überleben oder Wachsen bedeutet nämlich nicht nur, dass wir uns um eine handelsübliche IKEA–Zimmerpflanze kümmern können, sondern es bedeutet auch, dass wir sogar schon so weit sind, dass wir für Andere sorgen können. Dass wir jetzt auch vollends für uns selbst sorgen können, auch wenn wir vor Eltern und Freunden oft das Gegenteil behaupten. Wir fühlen uns erwachsen. Und, wenn wir ehrlich zu uns selbst sind, auch ein bisschen bereiter für alles, was da noch kommen mag. Ein Hund zum Beispiel.

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