Ganz der Baba #1: Das ist also unser Baby. Sieht lustig aus!

© Marie Lechner

Sam und seine Frau haben nicht nur einen neuen winzigen Mitbewohner namens Teddy, sondern er auch einen neuen Job. Sam ist jetzt Papa – in Vollzeit. In dieser Kolumne nimmt er euch mit auf die Baustelle Baby. Warum freut man sich auf jemanden, den man noch gar nicht kennt? Was geht eigentlich bei den Münchner Mamas und was haben Air Jordans mit Feminismus zu tun? Immer mit dabei: die hilfreichen und manchmal fragwürdigen Lebensweisheiten seiner ägyptischen Mama. Folge Eins: Da isser!

„Ich glaube es geht los.“ – es ist ziemlich genau 1.23 Uhr als meine Frau mich weckt. Als Kind der 80er und großer Michael Jordan Fan kann ich mir Ziffernfolgen, die eine 23 beinhalten, immer gut merken. In diesem Fall jedoch kann ich mich so gut an diese Uhrzeit erinnern, weil ich ein klein wenig kichern muss, denn meine Frau hat doch so gerne recht. Und sie hat wirklich verdammt oft recht.

Es ist keine Woche her, da hat meine Frau mir den genauen Geburtstermin des Babys vorausgesagt und es scheint so, als würde sie wieder einmal richtig liegen. Mir bleibt also nichts anderes übrig als zu kichern. Immerhin haben wir unseren Sohn schon viel früher erwartet, aber das Timing hat er wohl offensichtlich von meinem ägyptischen Genpool. Meine Mama hat immer gesagt: „Es ist so lange ein Uhr bis es zwei Uhr ist.“ Pünktlichkeit existierte in meiner Familie noch nie und ich habe das Gefühl, als wäre das vererbbar.

Ich habe keinen Orientierungssinn. Wenn der Akku meines Telefons leer ist, meide ich den Gärtnerplatz, um nicht für immer im Kreis zu laufen.

Am Morgen des "offiziellen" Termins saßen wir also am Küchentisch, als würde man am U-Bahngleis auf die Bahn warten, die soeben von der Anzeigetafel verschwunden ist. Man schaut sich gegenseitig an und weiß, dass da irgendwann mal was kommen wird, nur eben nicht jetzt. Aber einfach abhauen ist auch nicht drin.

Nun ist es aber soweit. Um 1.47 Uhr starte ich den Wagen mit meiner Frau an Bord, die zwar schwer atmet, aber immer noch lächeln kann. Keine Spur von Stress oder gar Panik. Im Innenraum meines Autos schwebt konzentrierte gute Laune. Während der achtminütigen Autofahrt, deren große Herausforderung in einem links Abbiegen und einem rechts Abbiegen besteht, muss ich mich dennoch konzentrieren, um mich nicht zu verfahren. Ich habe keinen besonders guten – oder besser gesagt überhaupt keinen – Orientierungssinn. Wenn der Akku meines Telefons leer ist, meide ich den Gärtnerplatz, um nicht für immer im Kreis zu laufen.

Da isser. Das ist also unser Baby. Sieht lustig aus. Das ist also das kleine Kerlchen, mit dem ich von nun an meine Tage verbringen werde.

Zwischen meiner Frau und mir herrscht eine extrem konzentrierte Vorfreude, wie bei zwei Kindern, die kurz vor der weihnachtlichen Bescherung sehr angestrengt alles richtig machen wollen. Nur wissen wir schon, was da drin ist im Paket. Kurz darauf – also 23 Stunden später – ist er da. Da isser. Das ist also unser Baby. Sieht lustig aus. Das ist also das kleine Kerlchen, mit dem ich von nun an meine Tage verbringen werde.

Meine Frau und ich haben am Anfang ihrer Schwangerschaft entschieden, dass ich mindestens ein Jahr zu Hause bleiben werde, um mich um unseren Sohn zu kümmern. Ich mochte die Art und Weise, wie meine Frau damals dieses Thema aufbrach. Es war völlig frei von jeglicher Richtung. Kein „wie würdest du es finden...“ oder „fändest du es in Ordnung, wenn...“ Es war eine sehr starke, klare und selbstbewusste Art und Weise dieses Thema anzubringen.

„Wer von uns bleibt eigentlich zu Hause, wenn ich aus dem Mutterschutz bin?“, sie fragte es mit einer Leichtigkeit und Selbstverständlichkeit, die mir so in meinen Erfahrungen als Vollzeit Vater in den nächsten Monaten nie mehr unterkommen wird. Sie fragte es so wie die Giesinger Metzgerin Frau Moll: „...süß oder scharf?“ mit einem wertfreien, jedoch erwartenden Unterton. Es gibt kein richtig oder falsch, es gibt einfach nur süß oder scharf und egal wie man sich entscheidet, die Leberkassemmel wird schon gut so sein.

Ich konnte und kann mich nicht mit dem Gedanken anfreunden, diesen kleinen Kerl so lange allein zu lassen. Dabei kannte ich den zu dem Zeitpunkt noch gar nicht.

Meine Frau hat einen Job mit regelmäßigen Arbeitszeiten. Ich nicht. Und genau das war für mich der ausschlaggebende Punkt. In meinem Job dauern Projekte oft Wochen, in denen ich auch mal längere Zeit ins Ausland muss. Ich konnte und kann mich nicht mit dem Gedanken anfreunden, diesen kleinen Kerl so lange allein zu lassen. Dabei kannte ich den zu dem Zeitpunkt noch gar nicht. Die Entscheidung war trotzdem klar: Ich bleibe daheim und kümmere mich um unseren Sohn. Unter den genannten Aspekten eigentlich eine Selbstverständlichkeit – jedoch werde ich wohl erfahren, dass dem nicht so ist.

Mein Ego wird getestet werden, genauso wie mein Glaube an die so moderne Gesellschaft in Deutschland. Ich werde wohl auch immer mehr zum Feministen weil ich feststellen muss, dass Frauen ein genauso schlimmer Feind des Feminismus sind wie Männer. Und ich werde verdammt viel Spazieren gehen, um nicht verrückt zu werden.

Aber zuerst werde ich mir eine Leberkassemmel besorgen...mit süßem UND scharfem Senf, denn da lächelt Frau Moll immer so entzückt, als hätte ich einen dreckigen Witz erzählt.

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