Viel Taste, wenig Tamtam: Das Grist & Grain an der Münchner Freiheit

© Nina Vogl

Ich muss ja zugeben, dass mein letzter Knigge-Kurs schon eine Weile her ist. Dabei besteht auch die Möglichkeit, dass es eigentlich noch nie einen gab. Deswegen saß ich recht unsouverän vor dieser Schale mit der köstlich sämigen Weißwein-Sauce. Der butterzarte Coq au Vin war schon verspiesen und die Verlockung, die Sauce einfach aus dem Teller zu schlürfen, groß. Doch der Moment der Unsicherheit dauerte zum Glück nicht lang, denn der aufmerksame Gastgeber stand schon mit dem Löffel am Tisch und rettete mich aus dem Saucen-Dilemma.

Nach unserem Besuch im Grist & Grain in der Schwabinger Wilhelmstraße habe ich länger überlegt, mit welchen Adjektiven man den Laden, das Essen, das Ambiente am besten beschreibt. Gar nicht so einfach, daher die Coq au Vin Geschichte. Es ist nämlich so: Eigentlich fühlt man sich nach einer Weile so wohl, dass man das Gefühl hat, man könnte auch unbedarft aus der Schüssel schlürfen. Gleichzeitig steht da dieses handwerklich großartige Essen, es läuft melodischer Jazz sowie ein bisschen Chanson, Gastgeber und Inhaber Dirk bedient mit einer Mischung aus Herzlichkeit und zurückhaltender Professionalität und die anderen Gäste führen gedämpfte Gespräche – vielleicht geht es um den letzten Theaterbesuch.

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Im Grist & Grain geht es also gediegen zu. Dabei möchten wir nicht sagen schick, aber eben auch nicht hip und vor allem nicht so laut – also weder in Sachen tatsächlicher Lautstärke als auch, was die allgemeine Atmosphäre angeht. Dirk Gerrard hat sich nach vielen Jahren in der Gastronomie mit dem Restaurant seinen Traum vom eigenen Laden erfüllt. Dabei ist er ein sehr angenehmer und erfahrener Gastgeber, der viel Zeit, Liebe und Energie ins Grist & Grain steckt. Mit Bedacht mixt er Drinks, berät die Gäste zur Karte und sorgt für eine entspannte Atmosphäre. Dabei hat er ein Händchen für das richtige Maß, das sich vor allem in der übersichtlichen Karte widerspiegelt.

Kleine Karte, großes Küchen-Kino!

Mittags hat man die Wahl zwischen Salatvariationen, Suppe, Pasta, Risotto und klassisch Fleischpflanzerln mit Kartoffelsalat. Abends sind die Gerichte raffinierter, aber nicht völlig crazy. Dirk nennt die Gerichte kosmopolitisch, wir sehen da trotzdem einen Hang zur französischen Küche mit klassischen Zubereitungsarten und ehrlichem Handwerk.

Nach dem Aperitif – einem knackigen Manhattan, der uns schon ein bisschen Farbe ins Gesicht zaubert – landet das bunte Porzellan mit den Vorspeisen auf unserem Tisch. Darauf eine Wirsing-Dattel-Rolle mit optimal abgeschmecktem Couscous und einem nicht zu süßen Quitten-Chutney. Alles einzeln schmeckt wunderbar, doch erst in Kombination merkt man, dass da irgendwo in der Küche jemand steht, der ziemlich genau weiß, was er tut.

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Toller Service, faire Preise

Auf der anderen Seite des Tisches steht eine Creme Caramel aus Ziegenkäse mit einem Karottensalat, die für Freude bei der Begleitung sorgt. Das Schöne: Die Gerichte müssen sich optisch und geschmacklich hinter keinem "besseren" Restaurant der Stadt verstecken, aber der für uns obligatorische Tellertausch widerspricht nicht dem Grist & Grain-Knigge – hoffen wir zumindest. Gut gelaunt starten wir also in die Hauptspeisen. Da kommt besagter Coq au Vin ganz typisch mit Gemüse und Kartoffeln und die kleinere 140-Gramm-Variante vom Ochsenfilet – ebenfalls an sautiertem Gemüse und Kartoffeln. Das Rindfleisch kommt dabei direkt von einem österreichischen Züchter, der das Fleisch der schottischen Galloway-Ochsen nach München bringt.

Und ja, was sollen wir sagen. Das Fleisch ist in beiden Fällen on Point, die Saucen köstlich und wir wollen ja wirklich ein bisschen meckern, aber selbst wenn die Karotten weich gekocht wären (was sie nicht sind) dürfte man bei den Preisen, die Dirk für das Essen veranschlagt, sowieso nicht meckern. Die sind nämlich mehr als fair kalkuliert. Ein Grund mehr, sich zum Abschluss noch die Apfel Tarte Tartin mit Vanille Eis zu gönnen. Zergeht auf der Zunge.

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Abgesehen vom Essen sollte man sich als Gast im Grist & Grain auf jeden Fall auf einen Plausch mit Dirk einlassen. Der ist nämlich ein wandelndes Lexikon, wenn es um seine Produkte und deren Zubereitung geht und kann euch vor allem in Sachen Drinks nicht nur so Einiges erzählen, sondern natürlich auch mixen. Kein Wunder, dass nur einen Raum weiter zur Zeit eine echte Cocktailbar entsteht, die im Idealfall noch dieses Jahr eröffnen soll.

Unbedingt probieren // Die Karte wechselt regelmäßig, aber die Ziegenkäse Creme Caramel sollte dabei sein!

Vegetarisch // Wirsing-Dattel-Rollen, Ziegenkäse Creme Caramel, Steinpilz-Ravioli

Mit wem gehst du hin // Schon sehr gut für Dates oder den Elternbesuch

Für Fans vom // Sparkling Bistro

Preise // Mittagsgerichte 8 Euro, Coq au Vin 12,50 Euro, Weinflaschen ca. 25 Euro, Espresso al banco 80 Cent

Besonderheit des Ladens // Dirk macht fast eine One-Man-Show und schafft den Spagat zwischen tollem Essen und entspannter Atmosphäre. Außerdem gibt es einen schnellen Espresso für 80 Cent, wir lieben es!

Grist & Grain | Wilhelmstraße 43, 80801 München | Montag – Freitag: 12.00–15.00 & 18.00–23.00 Uhr, Samstag: 18.00–23.00 Uhr | Mehr Info

Wir wurden vom Restaurant eingeladen. Das beeinflusst aber nicht unsere ehrliche Meinung.

Die Fotos für den Beitrag wurden mit der Sony Alpha 7ii gemacht.

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