Lokal einkaufen: Jeder redet davon, aber keiner macht's!

© Munich Z

"Wenn ihr das nächste Jahr alle Geschenke online kauft, gibt es bald keine kleinen Läden mehr. Checkst du's?". Diesen Satz schrieb ein ehemaliger Ladenbesitzer kurz nach Weihnachten in der Hohenzollernstraße in sein leergeräumtes Schaufenster. Es machte mich traurig, denn ich hatte ein paar Geschenke vor Weihnachten noch in der Hohenzollerstraße gekauft. Aber das reicht nun mal nicht. Ich müsste viel mehr offline einkaufen, meine Freunde müssten viel mehr offline einkaufen.

Blöd nur, dass dieses lokal Einkaufen echt anstrengend ist. Vor allem in einer Stadt wie München, in der alle ständig arbeiten, um ihre Wohnung zu bezahlen, in der sie nie sind, weil sie immer arbeiten, um ihre Wohnung zu bezahlen. Ich versuche es immer wieder – aber das geht auch nur, wenn ich freitags nicht arbeite. An diesem freien Tag gehe ich in die Stadt, um beim kleinen Elektromarkt ein paar Euro mehr zu zahlen als bei Amazon, Bücher zum Originalpreis (damit auch der Autor daran etwas verdient!) im Buchladen zu shoppen oder frische Tulpen im Blumenladen mitzunehmen. Die kosten zwar doppelt so viel wie Supermarkt-Tulpen, aber dafür habe ich ein gutes Gewissen, wenn ich sie anschaue.

Friede für alle Lebewesen, nur nicht für den Paketboten, der mir meine nachhaltige Yogawear um 22 Uhr an die Haustür liefert.

Klar, die Rechnung geht hinten und vorne nicht auf: Lokal einkaufen ist nicht nur anstrengend – ich muss zudem erst einmal weniger arbeiten, um überhaupt die Zeit zu haben. Ich muss erst weniger verdienen, um dann mehr Geld auszugeben. Unlogisch – und trotzdem ist es mir das wert. Nicht bei allem und nicht immer, aber immer öfter und vor allem bei Büchern.

Und das sollte viel mehr Leuten etwas wert sein. Vor allem in 2019, ein Jahr, in dem wir nur noch höhnisch lachen können über Slogans wie "Geiz ist geil". In dem vor jede Aktivität ein "slow" gesetzt wird und wir das Shopping-Erlebnis trotzdem gar nicht "fast" genug haben können. Ein Jahr, in dem wir gerne drei Mal die Woche zum Yoga gehen. Friede für alle Lebewesen, nur nicht für den Paketboten, der mir meine nachhaltige Yogawear um 22 Uhr an die Haustür liefert. In dem jeder über gutes Fleisch, regionales Gemüse und Bio-Milch redet – dafür geben wir gerne mehr Geld aus, aber wenn es um Alltagskram geht, wird wegen 50 Cent im Internet bestellt.

Wir verbringen unsere Zeit natürlich lieber bei Netflix, als in der Innenstadt nach einem Steckdosen-Adapter zu suchen.

Wie es dazu kam? Sicherlich ist auch der ewige Sparzwang Schuld, der uns von Aldi bis Versicherungswerbung in Deutschland jederzeit aufgedrängt wird, genauso wie die nun mal sehr menschliche Faulheit. Wir verbringen unsere Zeit natürlich lieber bei Netflix, als in der Innenstadt nach einem Steckdosen-Adapter zu suchen. Hinzu kommt: Der Einzelhandel und der Großstadtkunde haben sich irgendwo verloren. Die beiden sind nicht mehr in Kontakt, reden aneinander vorbei. Wer abends bis sieben Uhr arbeitet, ist froh, es danach überhaupt noch in den Supermarkt zu schaffen.

Lokal einkaufen: Jeder redet davon, aber keiner macht's!
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Kleine Läden sind ebenso froh, wenn sie um sieben Uhr zumachen können. Und die Ladenöffnungszeiten sind froh, wenn man sich nicht schon wieder über sie beschwert. Was also tun? Wie kann man in einer Situation, wie sie jetzt ist – mit einer 40-Stunden-Woche plus, in einer Stadt wie München – noch lokal einkaufen, ohne samstags von Menschenmassen in der Kaufingerstraße überrannt zu werden? Die einzige Lösung heißt leider: sich die Zeit nehmen, weil man checkt, wie wichtig das ist. Statt 45 Minuten an der Post anzustehen, könnten wir auch nach der Arbeit noch schnell beim Elektrofachmarkt vorbei.

Sich bewusst wieder Zeit zu nehmen zum Einkaufen, hätte nicht nur zur Folge, dass wir wie nebenbei den Einzelhandel retten, wir würden auch weniger, bewusster und besser konsumieren.

Wir haben die Stunden, wir verdaddeln sie nur auf Instagram. Sich bewusst wieder Zeit zu nehmen zum Einkaufen, hätte nicht nur zur Folge, dass wir wie nebenbei, nach Feierabend, noch den Einzelhandel retten, wir würden auch weniger, bewusster und besser konsumieren. Denn wie oft habt ihr schon Onlinebestellungen zurückgeschickt? Wie oft dagegen im Laden was zurückgegeben? Beim lokalen Shopping können wir die Sachen anfassen, ausprobieren, in echt sehen und noch mal überdenken.

Überlegt also beim nächsten virtuellen Warenkorb, den ihr offen habt. Sowieso immer: Brauche ich das wirklich? Wenn ja, bekomme ich das nicht auch in München? Und wenn ja, wie kann ich es organisieren, dass ich es ohne viel Aufwand lokal einkaufe? Denn mal ehrlich: Wir predigen Achtsamkeit und Zen, um uns dann vor Weihnachten auf Social Media darüber lauthals zu echauffieren, dass das Geschenk für die Tante nicht mehr rechtzeitig vor Heiligabend angekommen ist, während der Paketbote vor unserer Türe zusammenbricht. Tja, wärste mal in die Hohenzollernstraße gegangen!

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