Großartige Pizza & 400 Weine: Napoli di Bavaria im nineOfive in Schwabing

Text: Paul Kern

Wir geben es zu: Wir sind spät dran, denn das nineOfive in der Herzogstraße hat schon ein paar Monate auf dem Buckel. Aber Leute, bei so viel Pizza in der Stadt, verliert man schon mal den Überblick. Dabei wird im nineOfive zum Glück nicht so heiß gegessen wie gekocht. Das ist auch gut so! Denn mit 905°Fahrenheit – oder besser gesagt 485° Grad Celsius – auf dem Teller hätte uns die Pizza beim Verglühen unserer Geschmacksknospen zusehen können.

Mit gesunden Geschmacksknospen gewappnet starten wir in unser üppiges Mittagessen auf dem unscheinbaren Schwabinger Gehsteig. Drinnen, wo das Ambiente etwas poppiger wirkt, geht es genauso leger und formlos zu. Formvollendet ist wiederum die Antipastiplatte, die auf den Namen „Wolllust“ hört. Damit können wir uns sofort identifizieren. Bio-Tomaten aus Oberbayern, Black Angus-Bresaola aus Norditalien, Kalamata-Oliven aus Griechenland. Wenn das mal keine gelebte europäische Integration ist!

Ist das noch eine Pizzeria oder schon eine Weinbar?

Wäre es nicht 12 Uhr mittags sondern 22 Uhr abends, könnte das auch als Barfood erster Sahne durchgehen. Als wir einen Blick in die 400 Positionen starke Weinkarte werfen, kommt der frivole Gedanke auf, man könne das nineOfive auch mal als Weinbar zweckentfremden. Denn das nineOfive ist einer dieser raren Plätze in Deutschland, an denen eine lässige Atmosphäre auf große Weine trifft. Erdacht wurde das Konzept von Sommelier-Legionär Sebastian Georgi.

Der hatte jahrelang in der Sterne-Gastronomie gearbeitet. Dabei muss ihm wohl die Lust auf steife Gäste und gesteifte Tischdecken verloren gegangen sein. Seine Lust auf großartiges Essen und großspurige Weine ist aber zum Glück geblieben. Sebastian leitet heute die nineOFive-Schwesterläden in Düsseldorf, während Florian der Chef in München ist. Florian hat mal für eine bekannte Firma Autos vermietet, dann für eine noch bekanntere Burger verkauft und sich letztendlich entschlossen, mit beidem nicht so richtig warm zu werden. Ein guter Entschluss!

Aber kommen wir zum eigentlichen Zweck unseres Besuchs: Pizza. Etwa 90 Sekunden braucht der verführerische Fladen im Ofen. Und nur ein paar Sekunden, um uns zu überzeugen. Nach dem ersten Bissen Margherita Bufalina fühlen wir uns nach Neapel gebeamt. Nach dem ersten Happen Tunaking wähnen wir uns dann direkt wieder auf jenem Gehsteig in Schwabing. Und das ist auch gut so! Denn die Pizza Bianco, ohne Tomatensauce, ist zwar sehr weit vom neapolitanischen Klassiker entfernt aber auch unverschämt schmackhaft.

Neapolitanische Pizza at its best

Ein fluffiger Pizzateig, roher Gelbflossen-Thunfisch und Jaipur Curry machen den Tunaking zu einem kulinarischen Grenzgänger à la bonne heure. Die Desserts sind schmucklos, haben es aromatisch aber in sich. Der Schokopudding ist grundsolide, das Tiramisu klassisch und schmeckt wie bei Mamma. Im positiven Sinn!

Eine handwerklich so gute Pizza ist in Deutschland und auch in München nicht so leicht zu finden, keine Frage! Doch einige Dinge muss man wissen, wenn man hier zu Gast ist. Zum Beispiel, dass nur Tomatensauce auf der Pizza landet, wenn das auf der Speisekarte auch ausdrücklich erwähnt ist. Oder, dass Sämigkeit und nicht etwa Knusprigkeit das Grundprinzip von neapolitanischer Pizza ist. Und auch, dass wir mit drei Gängen zum Lunch ziemlich gut bedient waren. Am Abend, mit einem Stelldichein mit der herausragenden Weinkarte, sollte das aber niemanden vor unlösbare Probleme stellen.

Bei all den ausgefallenen Kreationen und Pizzabelägen, fragen wir Florian am Ende noch, wo denn die Grenze sei. „Was ist dann auch für euch keine Pizza mehr?“ Pizza mit Trüffelöl komme ihm niemals in den Ofen. Wenn dann mit frischen Trüffeln und das wolle selbst in München keiner mehr bezahlen. Und Pizza Hawaii wird es niemals geben, verspricht er uns. Pizza-Genuss irgendwo zwischen Trüffeln und Dosenananas also. Das ist doch mal ein schönes Schlusswort.

Unbedingt probieren // Tunaking und Rocky Balboas Speckbirne. Zumindest wenn man kulinarische Grenzerfahrungen sucht.

Vegetarisch // Die klassische Margherita Bufalina oder die vegane Pizza mit Avocado und Basilikum

Mit wem gehst du hin // Mit kulinarisch Aufgeschlossenen und Wein-Freaks. Und definitiv mit niemandem, der Pizza Hawaii bestellen möchte!

Für Fans von //  Soul Kitchen, Das Weinheim

Preise // Vorspeisen 5 bis 15 Euro, Pizza 9 bis 16 Euro, Flaschenweine ab 35 Euro, wechselnde offene Weine

Besonderheit des Ladens // Weine der Spitzenklasse ohne Schlips und Kragen