Ganz der Baba #16: Spaghettieis und Matratzentrampolin statt Panikpoker

© Marie Lechner

Als Kind war ich ein Schisser ohne besonders viel Selbsvertrauen. Meine Mama war ziemlich genervt davon – vermutlich weil sie folgende Männer-Memo gespeichert hatte: "Mutig muss er sein!". Aber bevor jetzt alle Bingo schreien und Sternchen in ihre Kanaken-Klischee-Heftchen kleben, möchte ich folgendes ergänzen: Zum Männerbild meiner Mutter gehörten abgesehen vom Mut auch Eigenschaften wie Geduld, Offenheit, Großzügigkeit und Hilfsbereitschaft. Vor allem wenn es um die "Eyla" –also die Familie – ging, kamen diese Merkmale kilometerweit vor irgendwelchen Dingen wie Stärke oder Status.

Ägypter*innen definieren Familien dabei nicht zwingend nach tatsächlichem Verwandheitsgrad. Jeder Freund meines Vaters war ein Onkel und deren Töchter dann Cousinen. Stellt euch mal die Zwickmühle vor, wenn man sich mal in eine der vielen Cousinen verknallt. Ganz toll. Was ich aber sagen möchte: Familie war bei uns schon immer wichtig, verwandt oder eben nicht.

Ich glaube, die Sache mit dem Mut war meiner Mama so wichtig, weil Mut die gefrorene Sahne unter dem Spaghetttieis des Optimismus ist.

Ich glaube, die Sache mit dem Mut war meiner Mama so wichtig, weil Mut die gefrorene Sahne unter dem Spaghetttieis des Optimismus ist. Dabei rede ich nicht von Mut, den man mit einer banalen Mutprobe testen könnte, sondern von etwas, das viel weiter unter der Oberfläche schlummert als draufgängerisch von irgendwelchen Klippen zu hüpfen. Im Synonym-Lexikon würde meine Mama eher Rückgrat und Courage unterstreichen als Waghalsigkeit.

Als ich elf Jahre alt war, sind wir mit der ganzen Familie (fragt mich nicht, wie viele echte und unechte Cousinen dabei waren)  in einen Vergnügungspark gefahren. Ich habe es immer gehasst. Sie waren für mich der reinste Spießrutenlauf zwischen Zuckerwatte und Zankereien mit meinen Schwestern, die mich ständig auslachten. Es war immer wieder das gleiche: Dünnpfiff vor Angst in der Schlange, in Tränen ausbrechen kurz vorm Einstieg und dann den Walk of Shame zurück an der ganzen Warteschlange vorbei.

Meine Mutter war meilenweit entfernt vom Typ "junggebliebene" Endvierzigerin mit violletstichigem Kurzhaarschnitt. Gebt einfach Big Mama bei Google ein und ihr habt eine grobe Vorstellung wovon ich rede.

Ich erinnere mich genau, wie wir vor dem "Tower of Terror" standen. Na, herzlichen Glückwunsch. Bibbernd trat ich von einem Bein auf das andere, nur um höchst verwundert festzustellen, dass sich meine Mutter ebenfalls angestellt hatte. Angesichts der Tatsache, dass meine Mutter nicht mal Fahrrad fuhr, erschien es mir mehr als logisch, dass dieser Tower wohl gar nicht so schlimm sein könne, wenn sie ernsthaft in Erwägung zog hier mit zu fahren.

Wichtig an dieser Stelle: Meine Mutter war meilenweit entfernt vom Typ "junggebliebene" Endvierzigerin mit violletstichigem Kurzhaarschnitt und "frechen" Fransen im Pony. Keine Mutter, die auch mal mit den Töchtern feiern geht und so ein Alman-Quatsch. Gebt einfach Big Mama bei Google ein und ihr habt eine grobe Vorstellung wovon ich rede.

Holt alte Matratzen aus dem Keller, hüpft im Wohnzimmer darauf rum, spritzt das Badezimmer nass und besorgt euch abwaschbare Stifte. Es ist Ausnahmezustand.

Der Tower of Terror fuhr dreizehn Stockwerke in die Höhe, während ich einen mütterlichen Singsang aus „Ist doch gar nicht schlimm“und „Siehst du? Das macht Spaß!“ vernahm. Dann schoss das Ding ungebremst in die Tiefe und ich hatte den Spaß meines Lebens. Mama hingegen wurde ohnmächtig. Seitdem bin ich Achterbahn-Ultra und froh, dass meine Mutter damals mir zuliebe ihre Angst einfach runtergeschluckt hat.

Das letzte was Teddy oder jedes andere Kind braucht, sind Eltern, die Newsquartett und Panikpoker spielen, um anschließend „der Kinder zuliebe“ auf die gesperrten Spielplätze zu gehen. Holt alte Matratzen aus dem Keller, hüpft im Wohnzimmer darauf rum, spritzt das Badezimmer nass und besorgt euch abwaschbare Stifte. Es ist Ausnahmezustand. Und wenn ihr die letzten Weihnachten brav und geduldig euren Eltern und Großeltern den IT-Service gemacht habt, freut euch auf Facetime Spaß mit Oma und Opa.

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