Graphic Novel oder Cartoon: 11 erstaunliche München Comics

Dieser Beitrag ist ein klassischer Fall von journalistischer Arbeit. Hat der Blogger sich gerade Journalist genannt? Es geht jedenfalls bei journalistischer Recherche niemals darum, alles zu wissen, noch nicht mal darum, alles selbst herauszufinden. Nein, es geht darum, zu wissen, wo man suchen muss. Oder wen man besuchen muss. Als Entwurf standen in dieser Liste ursprünglich drei Comics, am Ende musste ich sogar welche streichen, nachdem ich bei der Comic Company in der Fraunhoferstraße war.

Der Laden ist ein Mekka für alle Lesenden mit Faible für bildsprachliche Erzählungen. Aber auch für jene, die vielleicht bis jetzt nur ein, zwei Marvel-Filme gesehen haben und nun neugierig nach dem Ursprung sind. Immer hin da, die lieben Menschen helfen euch sehr gerne weiter. So wie einem Redakteur, der eigentlich nur Mangas liest und manchmal eine Graphic Novel. Und dann auf die Idee kommt, eine Liste über 11 erstaunliche München Comics schreiben zu wollen...

1. Jan Bachmann – Mühsam

In Bachmanns erster Graphic Novel wird der junge Lübecker Poet und Anarchist Erich Mühsam (1878–1934) im Sommer 1910 von seinen besorgten Brüdern auf Kur in die Schweiz geschickt. Bürgerliches Umfeld, keiner – auch nicht die hübsche Mitpatientin – interessiert sich für ihn oder sein Tun. Das Geld ist knapp und das Dichten will nicht recht gelingen. Die Geschichte basiert auf den Tagebüchern des deutschen Schriftstellers Erich Mühsam, der viele Jahre in München gelebt hat. Laut Bachmann eine ideale Comicfigur, die ständig zwischen wahnwitziger Selbstüberschätzung und freundlicher Selbstironie schwankt. Der Erzähltext um sie herum ist tatsächlich wortgenau aus den Tagebüchern übernommen, alles weitere jedoch frei erfunden. Eine Graphic Novel mit realer Vorlage in Reinform.

2. Uli Oesterle – Hector Umbra

Wenn es um München Comics geht, muss der Name Uli Oesterle fallen. Und im nächsten Atemzug wahrscheinlich "Hector Umbra". Der Titelheld streift in einem sehr realen München zwischen Stachus und Lindwurmstüberl umher, trinkt, raucht – und bekämpft dann Oesterles surreale Monster aus der Zwischenwelt. Die nennen sich die "Neuralgische Infiltrationsfront" und wollen – wie sollte es anders sein – die Weltherrschaft an sich reißen. Der Weg dahin geht allerdings über die Musik, Ex-OB Ude und den Kopf des bekanntesten Szene-DJs Münchens, was dann schon wieder gar nicht so klassisch ist.

3. Shinichi Ishizuka – Blue Giant Supreme

In einer guten Liste über Comics darf natürlich ein Manga nicht fehlen. In Japan leben sie die graphische Erzählform. So wie Jazz, was die Frage aufwirft, warum der junge Saxophonspieler Dai sein Heimatland verlässt und nach Europa aufbricht. Dort angekommen landet er – ohne Sprachkenntnisse und einen Plan – in München. Seine erste Herausforderung ist für viele Münchner*innen bestimmt schmerzhaft nachvollziehbar: Er muss einen Platz zum Üben finden. Zu Blue Giant Supreme von Shinichi Ishizuka gibt es übrigens auch eine Platte mit Liedern aus dem Manga – und die Buchcover der Serie sind Plattencovern des berühmten Jazz-Labels
Blue Note Records nachempfunden.

4. Jan Gulbransson – Donald Duck

Die Überschrift über diesem Artikel wäre einfach zu lang geworden, hätten wir "Erstaunliche München Comics oder Comics von Münchner*innen" geschrieben. Trotzdem handelt es sich bei diesem Sammelband nicht um ein Buch über München, sondern um ein Buch von einem Münchner Zeichner: Jan Gulbransson. Aus seinem Atelier in Schwabing haucht dieser Künstler seit Jahrzehnten den beliebten Enten buntes Leben ein. 2005 wurde er dafür sogar als einziger Deutscher in die Disney-Hall-of-Fame aufgenommen. Seit 2018 gibt es seine besten Comics, kommentiert und mit zusätzlichen Illustrationen, als Hardcover gebunden.

5. Frank Schmolke – Nachts im Paradies

Was genau der Unterschied zwischen Comic, Manga und Graphic Novel ist, müssen sie euch in der Comic Company noch mal genau erklären. Dass die gezeichnete Geschichte aber ein grandioses Genre ist, welches zu wenig Beachtung erfährt, das lässt sich treffend an Frank Schmolkes "Nachts im Paradies" festmachen. In der düsteren Erzählung versucht der Münchner Taxifahrer Vincent, seine sechzehnjährige Tochter wieder zu finden, die während des Oktoberfests verschwindet. Obwohl er vom Job und Leben in der Nacht eh schon ein bisschen durch ist, muss er noch tiefer in diese Welt eindringen – ein Alptraum wartet!

6. Comicaze – Bier

München, das ist halt nicht nur für Tourist*innen und manch Einheimische die Stadt des Biers. Sondern für Comiczeichnende anscheinend auch, denn es hat sich gleich eine ganze Schar gefunden, die freizügig über das goldene Gebräu gemalt hat. Darunter Peter Puck, Tom Bunk und Bryan Talbot. Gesucht hat übrigens der Münchner Comicverein Comicaze e.V. zum 500. Jubiläum des Reinheitsgebots. Herausgekommen ist ein graphischer Wälzer mit mehr als 40 Comics, Cartoons und Zeichnungen über Bier – und damit nur folgerichtig auch über die bayerische Hauptstadt.

7. Uli Oesterle – Vatermilch

Wieder zurück zu Uli Oesterle, dem gebürtigen Karlsruher, der das Münchner Lebensgefühl so schön wie wenige in Bilder fassen kann. "Vatermilch – die Irrfahrten des Rufus Himmelstoss" umfasst wiederum die Lebensgeschichte seines Vaters, die von Obdachlosigkeit, Alkoholismus und daraus resultierender schwerer Krankheit handelt. Als halbbiografische Graphic Novel verarbeitet Oesterle die Dämonen seines Vaters – und die Beziehung zu seinem Sohn. Denn Himmelstoss taucht 1975 im München des Kokain und der freien Liebe ab, nur um 30 Jahre später als Fremder vor seinem Sohn wieder aufzutauchen.

8. Gunter Hansen & Steffen Haas – Das Küken, die Maus und das Bier

Wann immer wir in unser Büro am Hauptbahnhof gehen, laufen wir an einem Schaufenster mit einem Strip von "Das Küken, die Maus und das Bier" vorbei. Es könnte am Tresen hinter diesem Schaufenster liegen, dass man gleich ein wenig Durst bekommt – oder an den gezeichneten Kurzgeschichten, in denen es um alles und nichts geht, dazwischen aber vor allem um Bier. Nicht umsonst haben die beiden Zeichner Gunter Hansen und Steffen Haas den regelmäßigen "In München"-Comic mit "Und ewig lockt das Bier" untertitelt.

9. Sabrina Schmatz – München 1945

Dass 1945 nicht immer tragisch sein muss. Dass Romantik nicht immer Schnulze sein muss. Dass München nicht immer Bier, Brezn und Oktoberfest sein muss – das alles beweist Sabrina Schmatz mit ihrer Reihe "München 1945". Darin skizziert sie im wahrsten Sinne des Wortes mit feinen Strichen die Liebesgeschichte zwischen der Deutschen Konstanze und dem US-amerikanischen Soldaten Daniel. Ohne reines Gut und Böse, sondern mit viel Diversität.

10. Plem Plem Productions – Tracht Man

Ja, es gibt einen Comic mit dem Namen "Tracht Man". Was bei diesem Titel vielleicht ebenso überraschend wirken mag: Er ist richtig gut! Hier geht Münchner Mundart mit Münchner Geschichten eine gelungene Symbiose ein. Ob das der Superheld in Haferlschuhen ist, oder ein Schurke mit dem Namen "Nepomuckl". Vielleicht ist ja auch der Meister Eder böse ist? Aber wir wollen nicht zu viel verraten.

11. Disney – Donald Duck in München

Zum Abschluss nochmal Disney, nochmal Donald und nochmal Durcheinander auf der Wiesn. Wie die Ente mit der Breze und dem "Daisy"-Lebkuchenherz um den Hals schon ankündigt, geht es in dieser Geschichte um klassische Folklore. Gleichzeitig bringt Onkel Dagobert der Besuch auf dem Oktoberfest auf eine neuerliche Geschäftsidee, die mit einer eisernen Henne, Bananenschalen und Eiern zu tun hat. Ob die Entenhausener zu viele Schießbuden abgeklappert oder einfach zu tief in die Maß geschaut haben, müsst ihr aber selbst nachlesen.