Kleine, geile Firmen #56 – Tattoo, Klamotte und Design vom Kollektiv Unegal
Bei einer Sache sind wir uns wahrscheinlich alle einig: Das Bahnwärter Thiel strotzt nur so vor kreativen Menschen – und genau deshalb passen Eva, Anne und Sophie vom Kollektiv Unegal auch so wahnsinnig gut dorthin. Die drei Münchnerinnen kommen alle aus dem grafischen Bereich und haben mit ihrer Kombi aus Tattoostudio und eigenem Modelabel einen Ort geschaffen, an dem ihre kreativen Handwerke verschmelzen.
Eva und Sophie stechen und designen im Container Tattoos und Shirts. Anne näht selbst, bedruckt und verkauft über ihr nachhaltiges Skaterlabel SNAB! lässige Tabakbeutel, Schals, Shirts und Mützen. Was die drei allerdings mindestens genauso verbindet wie ihr Herzblut fürs lokale Handwerk, sind die endlosen Ideen, die sie im Bahnwärter noch alle umsetzen wollen.
Auf eurem Container steht 'Tattoo, Klamotte, Design' – wie bringt ihr das zusammen?
Anne: Eigentlich beschäftigen wir uns ja alle damit, Bilder zu zeichnen und irgendwie auf einen Untergrund zu bringen – sei es auf Haut oder Textil. Daraus wollten wir einfach mal was anderes machen.
Eva: Irgendwo, wo man gucken kann, wie die Sachen überhaupt entstehen. Gedruckte T-Shirts kann man ja viel kaufen, aber zu sehen, wie das alles funktioniert, ist schon ganz cool. Auch Tattoos finden ja normalerweise immer in irgendwelchen Hinterzimmern statt, hier kann man uns eben live dabei zuschauen.
Anne: Das finden die Leute tatsächlich auch ganz schön, dass im Hintergrund die Tätowiermaschine surrt, wenn sie hier reinkommen. Manche bekommen dann auch total Bock auf ein Tattoo, obwohl sie vielleicht eher für ein T-Shirt vorbeigekommen sind.
Und was bedeutet Unegal?
Eva: Der Name sollte einfach einen alternativen Touch haben und zeigen, dass wir hier was kollektives, solidarisches machen und nicht dem Mainstream entsprechen. Dass uns eben nicht alles egal ist.
Anne, du bedruckst für dein Label SNAB! alles mögliche an T-Shirts, Tabakbeuteln, Schals und Babymützen. Wie bist du auf die Textil-Idee gekommen?
Anne: Ich hab früher als Teenagerin immer meine Kleidung selber genäht und irgendwann gedacht: "Wär natürlich schon ganz cool, wenn da jetzt auch was von mir drauf wäre!" Das habe ich dann im Grafikstudium ein paar Jahre später in der Siebdruck-Werkstatt ausprobiert und gemerkt, was das für ein unglaublich geiles Handwerk ist. Vor zwei Jahren hatte ich meinen ersten Stand auf dem Weihnachtsmarkt der Alten Utting und hab die drei Monate davor all meine Motive designed, T-Shirts bedruckt und meinen Comic-Cartoon-SNAB-Style entwickelt.
Wer trägt den in deinen Augen?
Anne: Leute, die sich selber nicht so wahnsinnig ernst nehmen oder ultra cool finden. Ich wollte ursprünglich aber auch besonders Frauen ansprechen, weil Skaterklamotten oft unglaublich tailliert sind und super kurze Ärmel haben – oder erst garnicht in Frauengrößen hergestellt werden. In erster Linie bin aber tatsächlich einfach ich selbst meine Zielgruppe.
Eva: Aber es ist auch ziemlich bunt gemischt und vielseitig. Das ist eben auch das Schöne, dass manchmal Leute zum tätowieren rein kommen und sich danach ein T-Shirt kaufen, bei denen man es vielleicht nicht gedacht hätte.
War SNAB! von Anfang an nachhaltig?
Anne: Ja, ich wollte auf jeden Fall ein cooles Fairtrade Label schaffen. Außerdem hab ich relativ schnell gemerkt, dass ich keine T-Shirts für 2,50 Euro bedrucken kann, die irgendwo auf der Welt produziert werden, ohne mich dafür zu schämen. Es ist zwar unglaublich teuer, fair gehandelte Bio-Baumwolle einzukaufen, aber der Kompromiss war dann eben, weniger zu produzieren und dafür nachhaltig zu bleiben.
Woher beziehst du deine Materialien jetzt?
Anne: Momentan über Continental Clothing, einfach weil sie die beste Qualität haben und sehr transparent sind. Mich stört aber immer noch, dass die T-Shirts aus Bangladesch kommen – obwohl sie fairtrade und bio sind. Ich würde wahnsinnig gerne wenigstens in Europa bestellen und am liebsten natürlich in München, was in meinen kleinen Mengen aber unglaublich schwierig ist. Da bin ich auf jeden Fall noch am husslen. Wenn's geht, näh ich eh so viel wie möglich selber – zum Beispiel die Tabakbeutel und Masken.
Ich habe relativ schnell gemerkt, dass ich keine T-Shirts für 2,50 Euro bedrucken kann, ohne mich dafür zu schämen!Anne
SNAB-Shirts kosten um die 25 Euro und du machst vom Design über den Druck bis hin zum Etikett alles selber. Kannst du davon leben?
Anne: Ich möchte auf jeden Fall dahin kommen. Es könnte funktionieren, wenn ich davon ein Low-Life lebe, aber jetzt gerade brauch ich natürlich immer noch einen Nebenjob. Ich denk mir auch manchmal, dass einzige was an meinen T-Shirts nicht fair ist, ist meine Bezahlung.
Ist das dein Ziel für die Zukunft?
Anne: Auch, aber mein größeres Ziel ist, dass man wieder mehr zum Lokalen kommt. Gerade in München etwas zu schaffen, was auch wirklich hier stattfindet und die Leute dadurch wieder Lust kriegen, in kleine Läden zu gehen. Einfach weg vom Globalen und hin zum Lokalen.
Eva: Weg von Amazon.
Heißt ihr bleibt auch erstmal hier?
Anne: Auf jeden Fall. In München wird sich ja viel beschwert, dass hier nichts passiert, deshalb find ich's ganz cool, dass wir jetzt zu denen gehören, die es hier ein bisschen schöner machen.
Eva: Es kann ja auch nicht jeder sagen "Hier ist es scheiße" und dann gehen, da verändert sich ja auch nichts.
Sophie: Ich hab' auch einfach so krass den Drang, hier noch mehr Freiraum für Leute wie uns zu schaffen. In München ist es als Einzelperson oder als Kollektiv extrem schwierig, ernst genommen zu werden – von anderen Kollektiven, vom Publikum, von der Stadt. Auch bei Zwischennutzungen läuft hier viel über Vetternwirtschaft und es sind immer wieder die gleichen Leute und Kollektive, die irgendwo Raum bekommen.
Eva: Aber irgendwo muss man halt mal anfangen und da haben wir einfach extrem viel Bock!
München legt gern selbst Hand an. Fast jede Woche gründet sich hier eine neue Firma, wird ein neues Label vorgestellt oder neues Produkt lanciert. Wir stellen euch die kleinen, geilen Firmen der Stadt vor. Die Bedingungen sind simpel. Klein müssen sie sein, das heißt weniger als zehn Mitarbeiter und natürlich: Geil.