Zwischen Dolce Vita und Vinyl: Riviera Records bringt frischen Sound in die Altstadt
War es auf einem alten Landgut oder an der Riviera? Vielleicht beides, Hauptsache Italien. Ein lauer Sommerabend, die Sonne ist schon untergegangen, aber ihre Wärme hält noch nach. Das Balzkonzert der Grillen schwingt sich von Zypresse zu Zypresse und übertönt fast die elektronische Musik im Hintergrund. Bauchige Spritz-Gläser klirren verheißungsvoll. So oder so ähnlich war die Szenerie, als die Idee für Riviera Records in einer alten Villa in Italien geboren wurde. Ein Plattenladen mit Fokus auf feinster elektronischer Musik und Italo-Flair. Man hätte das Label also auch "Palazzo Platten" nennen können, aber Riviera Records klingt einfach besser. Und um den Klang geht es schließlich.
Vom Dreimühlenviertel in die Altstadt
Das wird auch schnell klar, wenn man die neue Location von David Hornung und Andi Müller im Rosental 16 betritt. Natürlich läuft in einem Plattenladen immer Musik, aber irgendetwas ist anders an diesem Sound. Es liegt nicht am fein kuratierten Album, das gerade läuft. Es liegt auch nicht an den obligatorischen Boxen. Ja, nicht mal am DJ-Pult-Schrägstrich-Empfangstisch, obwohl die Marmorplatte auf dem extra gefertigten Gestell schon sehr beeindruckend in die italienische Villa zurückspult. Nein, es liegt am Mixer.
Da, wo normalerweise zwischen zwei rechteckigen Plattenspielern ein ebenso rechteckiger Mixer steht, positioniert sich bei Riviera Records eine Gerätschaft, die keiner konventionellen Form folgt. Die sowohl futuristisch als auch historisch anmutet. Die einen Bond-Bösewicht dahinter vermuten lässt. Verschiedene Rädchen, Displays mit analogen Zeigern, die auch sehr analog ausschlagen. Kleine silberne Schalter und geradezu wissenschaftliche Verarbeitung. Kein Wunder, denn: Dieser High-End-Mixer aus der Schweiz wird aus alten medizinischen Geräteteilen hergestellt. Und mit geradezu medizinischer Präzision kitzelt er Klänge aus den elektronischen Platten, die sonst wohl untergehen würden.
Corona ist wirklich die dümmste Zeit, einen Plattenladen aufzumachen. Deswegen hat es gepasst.
Das gibt den richtigen Ton für diesen Laden an. Hier arbeiten Musikliebhaber*innen für Musikliebhaber*innen. Klassisch. Was nicht heißen soll, dass alle alten Traditionen auch in diesem Plattenladen gelten. In anderen Record Stores hat man als Normalo oft das Gefühl, die Zeit der Menschen hinter dem Tresen doch arg zu beanspruchen, wenn man nicht mindestens die Hälfte des Katalogs kennt oder mit einer Frage zu Chet Bakers Fehlpressung von Neunzehnhundertirgendwann kommt. Eine gewisse Arroganz schwingt bei Musiknerds vor Plattenregalen häufig mit, nicht so allerdings bei Riviera Records.
David Hornung und Andi Müller haben schon mit dem Pop-up im Dreimühlenviertel bewiesen, dass sie exzellente Gastgeber sind. In der Dreimühlenstraße haben die beiden 2020 ihr Agenturleben hinter sich gelassen und sich den Traum vom eigenen Plattenladen erfüllt. Eigentlich glühte die Idee schon länger im Hintergrund, aber erst Corona, obwohl schwierig für den Einzelhandel, hat den entscheidenden Funken geworfen. David bestätigt: "Corona ist wirklich die dümmste Zeit, einen Plattenladen aufzumachen. Und genau deswegen hat es gepasst." Von den vier vereinbarten Monaten, durfte das Pop-up nur zwei aufmachen – und das hat schon gereicht. "Uns war klar, es muss weitergehen. Die Leute haben richtig Spaß!" Und uns ist klar: David und Andi freuen sich über jede*n, die*der ihren Laden besucht.
"Wir wollen, dass sich bei uns jede*r willkommen fühlt. Alle sollen einfach so reinkommen können." Wie in einer Boutique oder einer Galerie findet David zu Beginn durch gezielte Fragen die Stimmung der Besucher*innen heraus. Dann gibt er erste Empfehlungen, die man Probe hören kann und schließlich hilft natürlich auch das plakative Symbolsystem. Die einzelnen Platten sind nach Kategorien geordnet, die wiederum mit extra Emoticons versehen sind. Was bei einem klassischen Musikladen Rock, Pop oder Jazz, ist hier "Experimental Ambient", "DnB Jungle" oder "Techno Acid Trance Progressive". Letzteres durch einen Mond dargestellt, während man unter der Sonne "Deep Tech House" findet. Was auch sonst. Im Angebot ist alles zwischen Neuigkeit, aus erster Hand und Secondhand.
Wir wollen, dass sich bei uns jede*r willkommen fühlt. Alle sollen einfach so reinkommen können.
Der Riviera Plattenladen ist also ein Paradies für Neugierige. Aber auch für Unentschlossene oder Flanierende oder Entdecker*innen. In wohliger Nachbarschaft direkt neben dem Studio von Radio 80000 gelegen, zieht das Geschäft in der Altstadt nämlich auch Tourist*innen und Menschen an, die weder einen Plattenspieler noch großes Interesse an elektronischer Musik besitzen. Kein Problem, das Riviera bietet auch feinsten Merch (Pullis, Caps, Shirts) an, außerdem werden die absurd hohen Wände dauerhaft von befreundeten Künstler*innen bespielt. Aktuell hängen zwei Leinwände von Ana Saraiva auf türkisem Grund. Der neue Plattenladen fühlt sich schon allein mit seiner Einrichtung wie ein Ausflug in eine andere Welt an. Auf ein altes Landgut vielleicht. Oder an die sonnige Riviera. Hauptsache Italien.