30 über Nacht – Warum bin ich plötzlich die Älteste auf der Tanzfläche?

© Katharina Pauer

Ich bin nicht 30. Noch nicht. Ich habe noch ein paar Jahre, bis ich diese legendäre Grenze überschreite. Doch seit die Clubs und Tanzflächen dieser Stadt wieder mit Bässen locken, mit Rhythmus und Musik, die bis in die frühen Morgenstunden durch München hallt, fühlt es sich ein bisschen so an. Das hat nichts damit zu tun, dass ich plötzlich Boomer geworden bin oder mir das Weggehen zu viel ist. Während einige Menschen dem Feiern noch mit gemischten Gefühlen gegenüberstehen, bestelle ich längst gemischte Getränke an der Bar.

Seit das Nachtleben zurück ist, treibe ich mich am Wochenende wieder rum. Checke auf Facebook, welche Veranstaltungen anstehen – die vielleicht einzige Funktion, für die das soziale Medium noch wirklich zu gebrauchen ist. Freitagabend geht es dann los. Endlich wieder nicht wissen, was man anziehen soll. Endlich wieder zu Hause vorglühen, um gegen Mitternacht in die Stadt zu stolpern. Endlich wieder Türsteher*innen, lange Schlangen und verschmierte Stempel auf dem Handgelenk.

Ich habe mich wirklich gefühlt, als hätte mich jemand heimlich in eine Zeitkapsel gesteckt. Nicht, um damit in die Zukunft zu reisen, sondern um mich über Nacht altern zu lassen.

Aber etwas ist anders. Das ist mir letztens beinahe schmerzlich im Unter Deck aufgefallen. Nichtsahnend stand ich plötzlich zwischen lauter Menschen, die so aussahen, als dürften sie gerade das erste Bier ihres Lebens trinken. Zugegeben, bei den meisten Teenager*innen kann man nicht einschätzen, wie alt sie sind – Oh je, ich klinge doch wie ein Boomer! – und sobald man aus der Phase des Ausweis-Zeigens mal raus ist, sind alle Jüngeren eh gleich Babys. Doch an diesem Abend habe ich mich wirklich gefühlt, als hätte mich jemand heimlich in eine Zeitkapsel gesteckt. Nicht, um damit in die Zukunft zu reisen, sondern um mich über Nacht altern zu lassen.

Wo sind denn all die Menschen in meinem Alter hin? Die Mittzwanziger und Endzwanziger und Anfangdreißger? Im Unter Deck konnte man sich vor der Pandemie noch so gut schockverlieben. Dafür bin ich sowieso sehr anfällig. Und jetzt? Tut mir leid, aber auf der Suche nach Knutschpartner*innen muss ich leider passen, ich bin nicht pädophil.

Mir ist bewusst, dass in den letzten zwei Jahren jüngere Generationen zum Publikum der Münchner Clubs hinzugekommen sind. Ganz klar. Es ist nur natürlich, dass ein fließender Wechsel existiert und kein einzelner Jahrgang für immer das Vorrecht auf diesen einen Spot auf der Tanzfläche hat. Nur fehlt eben dieser fließende Wechsel aufgrund von Corona. Kann mir also bitte jemand verraten, wo ich aktuell die erste Reihe vor dem DJ-Pult noch besetzen darf?

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