"Sorry, ist mir zu teuer" – warum Nein sagen in München so schwer ist
"Yes! Morgen zusammen Essen gehen klingt super", schreibe ich und "Teuer!" ergänzt das Vernunftshirn aus dem Off, weil ich eigentlich Geld sparen will. Na, wer fühlt’s? Wir auf jeden Fall. Denn München ist eben die teuerste City Deutschlands und zu den exorbitanten Mietpreisen kickt gerade auch noch die Inflation.
Ganz persönlich spielen auch eigene Geld- und Sparthemen eine größere Rolle. Ich bin im Sommer zum Beispiel überraschend arbeitslos geworden, weshalb mein Konto ganz schön gelitten hat. Also wäre es doch voll okay, mal Nein zu einem Feierabend-Spritz zu sagen, oder? Eigentlich schon. Die Realität in München sieht eher so aus, dass ich manchmal mehr Geld ausgebe, als sich gut anfühlt. Warum ist es so schwer, einfach Nein zu sagen, wenn etwas zu teuer ist oder man sparen möchte?
Zwischen Bussi-Bussi und busy, busy oder: Verdiente Dekadenz!
Ja, München ist an manchen Stellen exklusiv und snobby. Erfolgreiche und wohlhabende Menschen zeigen gerne was sie haben und werden gerne gesehen. Trotzdem geht es nicht nur um dicke Autos, dicke Lippen und dicke Geldbeutel. Schließlich sind wir "Normalos" immer noch in der Überzahl. Ich glaube, dass es uns um etwas anderes geht, wenn wir manchmal mehr ausgeben, als wir eigentlich wollen. Seit ich hier wohne, ist mir aufgefallen, dass sich extrem viel um die Arbeit dreht. Ein bisschen nach dem Motto: Erst ranklotzen, dann protzen – den Münchner Lifestyle muss man sich eben verdienen.
In meinem Freundeskreis, und damit in meiner Bubble, haben fast alle einen fordernden Vollzeitjob, der ihnen wichtig ist. Und in der Freizeit? Wird der Stress kompensiert und der Abend oft teuer. Auch Studies arbeiten neben der Uni oder FH echt viel, vor allem, um hier wohnen und feiern zu können. Unsere Mit Vergnügen-Kollegin Purista erinnert sich:
Ich habe während des Studiums oft in einem Tagescafé gearbeitet, um mir dann mit meinen Freundinnen auch mal dekadent ein Taxi zum Club zu gönnen, wenn es geregnet hat und wir schon gestylt waren.Purista, Mit Vergnügen Autorin
Vielleicht versuchen wir in München, das eine Extrem mit dem anderen auszugleichen und merken das gar nicht mehr, weshalb Nein sagen sich manchmal anfühlt, als würde man gegen eine stille Regel verstoßen. Wenn ich mich zum Essen verabrede, obwohl ein Kochabend besser ins Budget passen würde, poppen oft Gedanken auf, die ungefähr so klingen: "Nach dieser Woche hast du dir das sowas von verdient." Und schon weicht das ungute Gefühl dem Genuss. Münchner*innen sind eben maximal fleißig – im Arbeiten und Belohnen. Und beides kann man hier halt ziemlich gut.
München-Liebe – wenn alle immer alles machen
Abgesehen davon, dass diese Stadt einfach nur wunderschön ist, kann sich auch das kulinarische und kulturelle Angebot sehen lassen – und genau da liegt oft das Problem, wenn man versucht, zu sparen. Meine Arbeitskolleg*innen probieren gerade einen neuen Sushi-Laden aus, die beste Freundin ist mit vorgemischter Weinschorle unterwegs zur nächsten Party und der Nachbar sitzt wieder beim Improtheater – danke Instagram, dass du mir zeigst, wo ich überall nicht bin. Aber auch im Real Life ist es wirklich schwer, konsequent zu bleiben. Das fängt schon in der Mittagspause an: Wenn alle zum leckeren Italiener um die Ecke gehen, schmecken die vorgekochten Nudeln von gestern aus der Tupper irgendwie nicht mehr ganz so gut. Es scheint, als würden Münchner*innen nicht gerne aus der Reihe tanzen – ich inklusive. Aber ich merke auch, wie viele mitziehen beim Nein sagen, wenn man mal den Anfang macht.
Low Budget ist noch nicht schick genug
München ist nicht Berlin, das merken wir auch daran, dass günstige und damit oft umweltfreundlichere Alternativen (noch) nicht wirklich angesagt sind – egal, ob es um Klamotten, Essen oder Aktivitäten geht. Dabei gibt es ja zum Beispiel ein paar coole Second-Hand-Läden oder Foodsharing-Spots. Gefühlt gehen viele aber erst in einen Second-Hand-Laden, wenn sie ein buntes Retrohemd fürs nächste Festival brauchen. Wenigstens zum Party machen werden Schnäppchen also gefeiert – zumindest teilweise. Denn ich erinnere mich an ein Wiesn-Gespräch zwischen zwei Mädels, die sich mit uns den Tisch teilten. Auf die Frage, woher das schöne Dirndl wäre, flüsterte die Frau zurück:
Ach, das ist kein besonderes Dirndl. Habe es bei eBay Kleinanzeigen entdeckt, aber das muss ja keiner wissen, oder?Junge Frau im Wiesnzelt
Ich weiß noch, wie ich dachte: Warum soll das niemand wissen? Ist doch voll cool, wenn ein Dirndl mal weniger kostet als ein kleiner Wochenendtrip nach Italien. Aber es wird halt nicht groß darüber geredet, weil sparsam sein nicht zum Münchner Lifestyle passt – zumindest in vielen Bereichen. Insgesamt könnten Low-Budget-Alternativen in München noch mehr Aufmerksamkeit und Anerkennung vertragen, damit sich das Mindset ändert und weniger Geld ausgeben cooler wird. Und damit vielleicht auch das Nein sagen.
Am Ende ist das Nein sagen einfach Übungssache – sowohl zu anderen, als auch zu sich selbst. In München ist das sicher nochmal schwerer, als es so schon ist, doch gerade deshalb möchte ich in Zukunft ehrlicher mit diesem Thema umgehen. Ich habe mir vorgenommen, öfter nicht nur Nein zu sagen, sondern auch Alternativen vorzuschlagen, die weniger kosten. Weniger Spaß hat man damit nämlich nie. Denn mal ehrlich: München allein ist so schön, dass man sich oft alles andere sparen kann!