Im Schumann's: Bartenderin Natalie van Wyk über ihren Lieblingsberuf

© Natalie van Wyk

Nach zwei Jahren Ungewissheit kann die Gastro endlich wieder zuversichtlich ihr ganzes Können zeigen. Konzerthallen füllen sich, Restaurants eröffnen ihre Schanigärten und in den Bars mixen Bartender*innen feine Drinks. Einziger Wermutstropfen: Nicht alle Barkeeper*innen und Servicekräfte sind wieder in die Gastro zurückgekehrt. Dieser Personalnotstand beschäftigt die gesamte Szene und damit auch die MIXOLOGY, das Magazin für Barkultur. Zusammen mit Schweppes hat sie gerade die "Mach die Nacht zu deinem Beruf"-Job-Initiative gestartet. Mit verschiedenen Maßnahmen wollen sie die Barszene bei der Personalsuche unterstützen. Eine davon: Akteur*innen aus der Szene erzählen lassen, wie sie den Einstieg in die Branche gemeistert haben und wer sie dabei unterstützt hat.

Daher haben wir uns mit Natalie van Wyk getroffen. Sie ist seit dem Sommer 2020 in Schumann's Bar am Hofgarten als Bartenderin beschäftigt und dort häufig im wunderschönen Les Fleurs du Mal im ersten Stock anzutreffen. Sie war die erste weibliche Barkeeperin, die bei Schumann auch nachts hinter der Bar gestanden ist und nicht nur dadurch schon zu einer absoluten Konstante im Münchner Nachtleben geworden.

Zum Start: Wie bist du eigentlich zur Gastro gekommen?

Tatsächlich bin ich zufällig in die Gastronomie reingekommen. Wie fast jede*r, wie ich glaube. Es ist ja eine meiner Lieblingsfragen an Leute in der Gastro: "Was war Plan A?". Ich bin damals aus der Fluglotsenbewerbung rausgeflogen. Und ich wusste dann nicht so richtig wohin mit mir. Mein damaliger Freund war Koch, meine Schwester war in der Konditoreilehre und viele meiner Freunde waren in der Gastronomie. Also: "Lern' doch Hotelfach! Da gibt es relativ viele Optionen, da kannst du dir alles mal anschauen." Und das war für mich in meiner Ziellosigkeit echt optimal. Während der Ausbildung hab ich ziemlich schnell gemerkt, dass Bar mich sehr interessiert. Zum Ende hin hab ich dann viele Masterclasses besucht, viele Schulungen mitgemacht und Bücher über Bücher gelesen. Und ich war halt ständig in den zwei relevanten Bars, die es damals in Lübeck gab. Und irgendwann bin ich vom Stammgast zu Barkeeperin geworden.

Also bin ich hergekommen und wurde mit offenen Armen empfangen. Ich hab dann in fünf Nächten 17 Bars durchgemacht. Es war traumhaft, sehr spannend alles.

Wie bist du von Lübeck nach München gekommen?

Mein damaliger Chef hat mich relativ zu meiner ersten Competition geschickt, die ich dann auch gewonnen habe und durch diese Events war ich ziemlich zügig in der Branche. Würde ich auch allen jungen Einsteiger*innen empfehlen. Der Rest ist tatsächlich sehr autodidaktisch, ich war weiterhin viel auf Masterclasses und bei Tastings. Und in Hamburg, dort gab es nämlich auch Bars ohne Jumbo-Happy-Hour.

Woher wusstest du denn, zu welchen Bars du musst?

Von Instagram oder von Branchenmagazinen wie der Mixology. Oder über Kolleg*innen bei besagten Competitions. Die ich im Anschluss immer gerne besucht hab, so wie einen Kollegen aus München eben auch. Also bin ich hergekommen und wurde mit offenen Armen empfangen. Ich hab dann in fünf Nächten 17 Bars durchgemacht. Es war traumhaft, sehr spannend alles. Über die Verbindungen aus diesen besonderen Nächten ging es für mich schließlich in die Ory Bar. Und anschließend – auch so ein bisschen Corona-bedingt – ins Schumann's. Es gab irgendwie immer den nächsten logischen Schritt. Hat sich einfach richtig angefühlt.

© Natalie van Wyk
© Dominik Schelzke

Jetzt bist du im Schumann's, wie ist denn dein Alltag dort so?

Mein Arbeitstag geht in der Regel um 16 Uhr los, wenn ich das Haus verlasse und zur Arbeit laufe. Ich komme gerne 'ne halbe Stunde vor Dienstbeginn an und die meisten Schichten fangen bei uns um 17 oder 18 Uhr an. Angekommen und umgezogen gibt es meistens noch einen Kaffee, man raucht noch eine, man isst was. Danach baue ich meine Bar auf. Ich schaue, was fehlt, fülle alles einmal auf. Wenn Sirupe oder ähnliche Sachen leer sind, produziert man auch manchmal die eigenen Zutaten. Dann schaue ich mir meine Reservierungen an, wie wir die platzieren, wer Bar macht und wer Service. Das Fleurs macht so um 19 Uhr auf – und dann kommen die Gäste.

Mit einer Bezahlung auf Trinkgeldbasis wird dieser Job natürlich auch immer ein bisschen schwierig bleiben.

Das Schumann's gibt es jetzt seit 40 Jahren, wie schafft der Laden es, nicht abgehängt zu werden?

Menschen ziehen Menschen, das ist ganz wichtig. Das Schumann's wächst ja seit 40 Jahren, auch vom Klientel. Natürlich ist auch Qualität wichtig, auch Qualität zieht über einen gewissen Zeitraum Menschen. Klar, man geht zu seinem Lieblingsitaliener, weil die Pizza so großartig ist. Aber du gehst vor allem dahin, weil es DEIN Lieblingsladen ist, DEIN Stammladen. Du hast einen speziellen Platz, du kriegst ein besonders freundliches Hallo, du fühlst dich besonders. Das ist dieses Phänomen, was wir im Schumann's auch erreichen wollen. Durch unsere Qualität und unsere Art.

Die Gastro ist im Wandel. Wie steht es um schlechte Bezahlung und Überstunden, gibt es da ein Umdenken?

Auf jeden Fall. Ich spreche aus einer komfortablen Position, da meine Bar die Spitze darstellt. Da ich im High-End-Bereich arbeite. Das sind aber nur circa ein Prozent aller Läden. Es kommt also drauf an. Aber ich glaube, die Bezahlung ist inzwischen echt fair. Natürlich kommt es drauf an, wie gut man verhandeln kann, wie erfahren man ist. Und mit einer Bezahlung auf Trinkgeldbasis wird dieser Job natürlich auch immer ein bisschen schwierig bleiben. Du wirst immer ein relativ niedriges Basisgehalt haben und je nach Laden ein mehr oder weniger gutes Trinkgeld. Das ist eine Problematik, auf alle Fälle.

© Dominik Schelzke

Vor allem fürs Alter ist das doch eher schwierig?

Wir zahlen grundsätzlich ganz normal Steuern und treten dabei was für die Rente ab, aber es ist halt nicht so viel. Also ja, du solltest dich besser zusätzlich um deine Rentenversorgung kümmern, indem du extra in Rentenfonds oder sonstige Anlagen investierst. Das schon. Mein reales Gehalt ist in der Regel das Doppelte von dem, was ich ausgezahlt bekomme. Da fließt nichts von alleine ab, ich muss damit selbst wirtschaften. Aber auch unabhängig von Altersvorsorge und Versicherung birgt das Schwierigkeiten.

Und zwar?

Bewirb dich mal mit der Hälfte deines Gehalts auf eine Wohnung hier in München, viel Spaß! Man muss schnell lernen, selbst mit Geld umzugehen. Und sich auch nicht von diesen Bargeldüberschüssen jeden Abend blenden zu lassen. Was die Überstunden angeht, muss man auch ein bisschen flexibel sein. Aber in den guten Läden werden die Stunden gezählt und du bekommst sie an anderer Stelle wieder raus. Klar, es gibt Überstunden, aber in welchem Job gibt es die denn nicht? Wenn im Krankenhaus Not-OP ist, gehen die Krankenschwestern ja auch nicht nach Hause.

Klar, es gibt Überstunden, aber in welchem Job gibt es die denn nicht? Wenn im Krankenhaus Not-OP ist, gehen die Krankenschwestern ja auch nicht nach Hause.

Was hat sich denn durch Corona verändert?

Viele Dinge, die früher selbstverständlich waren, gehen heute nicht mehr oder sind zumindest aufgedeckt worden. Krank zur Arbeit zu kommen, geht heute einfach nicht mehr. Früher war das ganz normal. Wenn du nicht kommst, müssen deine Kolleg*innen ja die Last übernehmen. Da baut sich schon ein schlechtes Gewissen und ein gewisser Druck auf. Heute wird in der Gastro viel mehr darauf geachtet.

Der Druck geht zwar, aber die Belastung für die Kolleg*innen bleibt ja, oder?

Ja, klar. Aber dieses Plus-Minus wird über das Team ja wieder eingefangen. Daher ist Teamwork ja auch so wichtig. Du arbeitest sehr, sehr eng mit dieser Gruppe von Menschen zusammen. Also kommt man auch an einem freien Tag rein, um auszuhelfen. Dafür kannst du aber auch sagen, wenn deine Mama nächsten Donnerstag Geburtstag hat. Und dann springt jemand für dich ein. Du kannst dir theoretisch jeden Tag des Jahres freinehmen. Für diese Freiheit, für diese Flexibilität musst du aber auch etwas hergeben.

Was ist, wenn ich keine Ahnung von dem Job habe? Kann ich einfach bei euch auch quer einsteigen?

Bei uns vielleicht nicht direkt, aber grundsätzlich ist Bartender*in der ultimative Quereinsteiger*innenberuf. Siehe das Thema mit dem Plan A. Es gibt halt noch keine richtige Ausbildung für den Beruf, die IHK arbeitet zwar daran, aber Stand jetzt noch nicht. Der Einstieg kommt immer über das eigene Interesse, viel in Bars zu sein. Zum Glück ist es ja sehr angenehm in seiner Freizeit in Bars abzuhängen und mit Bartender*innen zu sprechen – man darf dabei sogar trinken.

© Natalie van Wyk
© Natalie van Wyk

Natürlich die Dauerfrage, aber wie ist es als Frau hinter der Bar?

Klar Dauerthema, aber es ist ja auch eine spannende Frage. Ich denke, es ist wie in vielen Berufen, es wird gerade erst Schritt für Schritt angegangen. Es gibt tatsächlich witzigerweise sehr viele Frauen in der Gastronomie, laut einer Studie sind es hinter der Bar sogar mehr Frauen als Männer. Nur, sobald es um das High-End-Thema geht, sind es halt gefühlt nur noch Männer. Ähnlich wie in der Küche, wenn sich damit Geld verdienen lässt, ist es plötzlich Männerthema. Trotzdem gibt es viele tolle Köchinnen – und Bartenderinnen.

Und wie ist es für dich?

Es ist erst mal nicht viel anders als im Rest meines Lebens. Ich werde auf der Straße von Männern blöd angemacht, ich werde hinter der Bar von Männern blöd angemacht, die Krankenschwester wahrscheinlich im Krankenhaus. Aber natürlich ist das Potenzial für übergriffige Arschlöcher ein My mehr vorhanden, weil die Leute durch den Alkohol eine niedrige Schamgrenze haben und denken, dass es ok ist. Dafür ist da auch der Support von meinen Kolleg*innen richtig stark.

Soweit ich richtig informiert bin, warst du doch auch die erste Barkeeperin, die im Schumann's nachts hinter der Bar stand?

Richtig. Ich war natürlich sehr nervös, da reinzugehen. Die Kommentare haben gereicht von "Ach toll, dass das jetzt endlich mal ne Frau macht" bis zu "Wie kannst du nur!". Am Anfang hatte ich das Gefühl, wirklich jedes einzelne Augenpaar ruht auf mir. Ich hatte definitiv Angst, zu versagen. Auch vor diesen ganzen Männern, die vielleicht denken, ich wäre nur die Quotenfrau. Aber diese Sorge habe ich mir selbst eingeredet. Dass das nämlich auch viele junge Männer oder Männer mit Töchtern sind, die das vielleicht sogar feiern, daran habe ich nicht gedacht. Und tatsächlich bin ich eigentlich von allen Seiten sehr gut aufgenommen worden. Oder behandelt worden, was ja auch positiv ist, wie ein Mann eben auch.

Jetzt ist die perfekte Zeit, anzufangen. Noch nie war die Bereitschaft in der Branche größer, neue Leute einzulernen.

Unabhängig vom Geschlecht, wie sollte ich als Persönlichkeit für die Bar gestrickt sein?

Es gibt unterschiedliche Persönlichkeiten an der Bar, genau wie es unterschiedliche Bars gibt. Aber: Dir sollten bestimmte Sachen Spaß machen, sonst wir dir der Beruf sehr schnell Leid werden. Es hilft, wenn du extrovertiert bist und gerne mit Menschen redest. Ich rede mit bis zu hundert Menschen am Tag, das ist schon viel. Es sind nicht bloß dieselben vier in deinem Büro. Kreativität ist auch immer gern gesehen. Neue Rezepte, neue Sachen probieren. Du bist gezwungenermaßen im Team, der Job ist nichts für Einzelkämpfer*innen. Man kann viel alleine machen, aber am Ende muss es im Team funktionieren.

Warum ist der Job an der Bar ein wunderbarer Job?

Du lernst unglaublich viele Menschen kennen, bekommst dadurch auch ein unglaubliches Gefühl, Menschen einzuschätzen. Du verbringst jeden Abend in einer Bar, was auch ganz gut ist. Du kannst jeden Tag ausschlafen. Du hast jeden Tag den ganzen Tag quasi frei. Aber das Thema mit den Menschen ist wohl das wichtigste. Es hat mir zum Beispiel geholfen, mich in Rekordzeit in einer fremden Stadt zurecht zu finden. Und: Jetzt ist die perfekte Zeit, anzufangen. Noch nie war die Bereitschaft in der Branche größer, neue Leute einzulernen. Man kann gerade in richtig krasse Läden einsteigen, wir stehen an einem Neuanfang.

Haben wir euer Interesse geweckt? Auf der Homepage der MIXOLOGY, dem Fachmagazin der Barkultur, finden sich deutschlandweite Job-Inserate und zudem viele Informationen rund um die Frage „Wie werde ich Bartender*in?“.

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