München hakt nach: Wo bleiben die öffentlichen Toiletten?
In München begegnen uns immer wieder kuriose Dinge, die uns staunend oder fragend zurücklassen. In unserer Serie "München hakt nach" gehen wir darum Fragen, Phänomenen und kuriosen Geschichten aus München auf den Grund. Auch ihr habt etwas entdeckt? Dann schickt uns eure Fragen!
Gerade erst das Haus verlassen und schon drückt die Blase – ein Dank geht raus an den Tee, den ich mir brühheiß noch eingeflößt habe. Wie kann der bitte schon durchgelaufen sein? Egal, für große Fragen ist jetzt keine Zeit, denn eine Toilette muss dringend her! Aber das mitten in der Münchner Innenstadt? Ich muss nach langem Suchen, viel Gefrage und einen Euro ärmer feststellen: Das ist fast unmöglich.
Aktuell gibt es in München circa 150 sanitäre Einrichtungen. Manche, meist die Pissoirs für Männer, sind kostenlos. Viele der Einrichtungen haben aber eine Bezahlschranke, dessen Tür sich erst nach Münzeinwurf oder Kartenzahlung öffnet. Doch hier starte das Problem: Ob kostenlos oder nicht, viele Türen lassen sich erst gar nicht mehr öffnen. Wären alle 150 Toiletten wirklich benutzbar, dann hätte auch ich in meiner Misere schnell einen Ort zum Erleichtern gefunden. Zu oft sind öffentliche Toiletten in München aber seit Monaten geschlossen, verdreckt oder beschädigt.
Die Geschichte der Münchner Toiletten
Dass München ein WC-Problem hat, ist nichts Neues. Seit Jahren wird darüber geklagt, sogar so sehr, dass 2019 der Oberbürgermeister das Problem zur Chefsache erklärte. Doch hat sich, seit Dieter Reiter WC-Experte der Stadt ist, wirklich was verändert? Bevor wir dieser Sache genauer auf den Grund gehen, schauen wir uns die Geschichte der öffentlichen Toiletten in München an.
Mit Max Pettenkofer startete in München im 19. Jahrhundert das Zeitalter der öffentlichen Toiletten. Die Idee kam dem jungen Mann, um die Verdreckung der Straßen zu verhindern und Krankheiten, wie der damals herrschenden Cholera, den Kampf anzusagen. Doch es gab ein Problem: Man wollte zwar öffentliche Toiletten zur Verfügung stellen, allerdings sollten die nicht das Stadtbild "beschmutzen". Damals war man hinsichtlich der WC-Thematik noch sehr prüde und so wurden die WCs versteckt gebaut. Zum Beispiel in Fachwerkhäusern, hinter Mauern oder an anderen nicht einsehbaren Orten. Eines aus dieser Zeit gibt es heute zum Beispiel noch am Sendlinger Tor.
Prüde sind wir heute zum Glück nicht mehr, trotzdem ist es manchen unangenehm, in Restaurants oder Cafés nach einer Toilette zu fragen, wenn man kein*e Kund*in ist. Öffentliche Toiletten sollten in einer (reichen) modernisierten Großstadt also eigentlich zum Inventar gehören.
Fünf Millionen Euro
Mit dieser Meinung bin ich nicht alleine und so nimmt sich seit 2015 auch Münchens Stadtrat dem Problem an, indem er das Thema "Neuerrichtung von Toiletten in Grünanlagen" auf die Agenda hob. Demnach wurde nach einem Kriterienkatalog ermittelt, dass nur zwei sanitäre Anlagen fehlen würden. Diese wurden gebaut, doch das Problem war damit nicht erledigt. Als man sich 2019 dem Thema erneut widmete, stellte man schnell fest: Hier fehlen mindestens 25 weitere Toilettenanlagen. Immerhin gab es dann 2020 Dixi-Toiletten an den Frühlingsanlagen an der Isar.
Doch WC ist nicht gleich WC. Denn gerade die Ausstattung der Anlagen muss an die unterschiedlichen Bedürfnisse angepasst werden. Die umfassen zum Beispiel, dass die Toiletten Unisex und auch barrierefrei sind. Für den gesamten Prozess wurden vom Stadtrat dann eine Finanzierungspauschale von fünf Millionen Euro bewilligt.
Das goldene Zeitalter?
70 Cent für einen Klo-Gang bezahlen zu müssen, ist einfach zu viel.Diana Hipp, Stattreisen
Der Wille und das Ziel sind also da. Doch reicht das? Diese Frage kann kaum jemand besser beantworten als Diana Hipp, denn sie kennt sich bestens in der Stadt und somit auch mit den öffentlichen Toiletten aus. Frau Hipp arbeitet bei Stattreisen und leitet seit Jahren die Stadtführung "Shit happens" zur Münchener Toilettengeschichte. Dabei informiert sie nicht nur auf humorvolle Art und Weise über historische Gegebenheiten, sondern zeigt auch aktuelle öffentliche Toiletten.
Für sie ist klar: Das goldene Zeitalter der öffentlichen Toiletten ist nicht heute. Obwohl weiterhin sanitäre Anlagen gebaut, saniert und geplant werden, gibt es gerade in der Innenstadt noch einen akuten Mangel. Während am Flaucher jetzt kostenlose öffentliche WCs vorhanden sind, die meist sauber sind, hat sich in der Innenstadt seit 2019 nicht wirklich was verändert, resümiert die Expertin. Gerade am hochfrequentierten Odeonsplatz sei es katastrophal. Am Isartor sähe es nicht anders aus. Allgemein ist es in der Innenstadt für Obdachlose und mobil eingeschränkte Personen sehr schwierig. Und 70 Cent für einen Klo-Gang bezahlen zu müssen, sei einfach zu viel, findet Frau Hipp.
Was bedeutet OO?
Einige Toiletten sind seit Monaten gesperrt und nicht nutzbar. Hinzu kommt, dass die Klos, aufgrund der Geschichte, meist an versteckten Orten liegen. Einheitliche Schilder könnten dort Abhilfe schaffen, doch die gibt es in München nicht. Stattdessen sei die Beschilderung ein reinster Irrgarten, so Diana Hipp. Tourist*innen, aber auch Einheimische sind deswegen oft aufgeschmissen.
Kleiner Fun Fact: Falls ihr das nächste Mal die Beschriftung "OO" seht, dann versteckt sich dahinter übrigens ein WC. Dieses Zeichen stammt aus Hotels, erklärt uns die Expertin. Damit Menschen die nummerierten Zimmer nicht mit den Toiletten verwechseln, wurden sie mit "OO" nummeriert. Sehr smart, aber das muss man auch erst mal wissen.
Berlin oder Tokyo: So kann Zukunft aussehen
Da alleiniges Meckern leider keine neuen und öffentliche WC-Anlagen baut, wagen wir doch mal einen Blick über den Münchner Tellerrand. Erst in diesem Jahr startete Berlin mit einem Toilettenpilot-Projekt und testete autarke Klo-Häusschen in Parks. Die 24 WC's kommen dabei ohne Strom und Wasser aus. Nebenei sind sie Unisex, barrierefrei und kostenlos. Außerdem werden sie in der App "Berliner Toiletten" angezeigt. Schauen wir in die große weite Welt hat Tokyo die Nase weit vorne. Dort wurden öffentliche Toiletten mit dem Projekt "Tokyo Toilet" regelrecht zur Attraktion. Die hochmodernen Anlagen wurden von renommierten Designer*innen und Architekt*innen designt.
Das Resümee: Gerade in der Innenstadt hat sich seit 2019 nicht wirklich etwas verbessert. Auch wenn am Flaucher und in Grünanlagen mehr kostenfreie und saubere Toiletten sind, fehlen weitere – zum Beispiel am Isartor. Auch in Neuperlach Süd ist die neue Anlage seit Monaten gesperrt und am Odeonsplatz findet sich ebenso keine funktionierende Toilette. Hochmodern wie in Tokyo muss es jetzt nicht unbedingt sein. Wir würden uns aber dennoch mehr saubere, barrierefreien und vor allem genügend kostenlose Toiletten für die Münchner Innenstadt wünschen.