Geht wählen! Warum es ein Privileg ist und jede Stimme zählt
Am 09. Juni 2024 steht mit der Europawahl eine wirklich wichtige Wahl an, denn: nur alle fünf Jahre haben EU-Bürger*innen die Möglichkeit, die Mitglieder des Europäischen Parlaments zu wählen. Das ist nicht nur die einzige direkt gewählte transnationale Versammlung der Welt, sondern dessen Abgeordneten vertreten auch die Interessen der Bürger*innen auf europäischer Ebene.
Klingt nicht nur wichtig, ist es auch. Und damit ist ein Plädoyer, um euch zum Urnengang oder zur Briefwahl aufzufordern, mehr als gerechtfertigt. Gerade jetzt, wenn rechtsextremistische Liedumdichtungen auch die Sylt-Elite erreichen, ein gewisser Parteivorsitzender Hitler-Parolen verherrlicht und die Demokratie so zerbrechlich wie selten scheint. Es gibt so viele Menschen weltweit, die von ihrem Wahlrecht Gebrauch machen wollen, aber nicht können. Und das, weil sie in einer Diktatur leben oder ihnen aus anderen Gründen die Wahl verwehrt wird. Wir sollten daher die Chance wahrnehmen, unsere Demokratie zu leben!
In Deutschland gibt es keine Wahlpflicht. Es wird zwar vom moralischen Standpunkt aus erwartet, aber es steht den Bürger*innen frei, zu wählen oder nicht. Eine Umfrage der Konrad Adenauer Stiftung zur Bundeswahl 2021 zeigt, dass 65 Prozent der Nichtwähler*innen keinen Sinn darin sehen, da Politker*innen und Parteien sowieso nur das machen würden, was sie wollen. 56 Prozent gaben an, dass es keine*r geeignete*n Politiker*in geben würde, dem*der man die Stimme geben könne. 34 Prozent gehen grundsätzlich nicht wählen. Andere waren im Urlaub oder haben kein Interesse an Politik und 47 Prozent fühlen sich von der Politik nicht vertreten.
Gründe, die teils nachvollziehbar sind. Warum soll man jemanden wählen, hinter dem*der man nicht steht? Wenn man den Eindruck hat, niemand niemand schaut wirklich auf die Bedürfnisse der Menschen. Niemandem ist wichtig, was aus einem wird und handelt nur aus eigenem Interesse. Ich muss euch sagen: Es ist dennoch wichtig, zu wählen!
Die Verantwortung von Nichtwähler*innen
Man hört immer wieder: "Wer nicht wählt, wählt die Falschen oder wählt rechts." Ganz so stimmt es nicht. Alle Parteien profitieren von den Nichtwähler*innen. Jede Partei kann mit weniger (absoluten) Stimmen ihr angestrebtes (prozentuales) Wahlziel erreichen, je mehr Nichtwähler*innen es gibt. Sie brauchen demnach weniger Menschen, die für sie stimmen, um ihr Ziel zu erreichen. Davon profitieren meist vor allem große Parteien. Diese Annahme gilt aber nicht pauschal, sondern kann von Wahl zu Wahl unterschiedlich sein. Sind die Menschen besonders unzufrieden, wählen sie aus Protest Randparteien, was vor allem rechten und rechtsextremen Parteien zugutekommen kann. Will man dem entgegenwirken oder eine bestimmte Partei nicht an der Spitze sehen, hilft nur eines: Selbst wählen zu gehen!
Der Kampf der Frauenbewegung ums Frauenwahlrecht
Und zum Glück dürfen das 2024 auch alle – egal welches Geschlecht. Als Geburtsstunde des Frauenwahlrechts in Deutschland gilt der 12. November 1918, als der Rat der Volksbeauftragten den Frauen endlich das Wahlrecht zusprach. Nach einem langen Kampf der Frauenbewegung im 19. Jahrhundert durften Frauen schließlich am 19. Januar 1919 zum ersten Mal in Deutschland wählen und gewählt werden.
Es ist also gerade einmal etwas mehr als 100 Jahre her, dass Frauen in Deutschland wählen dürfen. Es war ein zu langer, zu anstrengender und zu kräfteraubender Weg, den Frauen auf sich nahmen, damit heute zu sagen: "Ich hab keine Zeit zum Wählen." oder "Die Wahl interessiert mich nicht." Übrigens egal welches Geschlecht.
Menschen weltweit werden an Wahlen gehindert
Andere Sätze, die man auch oft als Ausrede hört: "Ich habe kein Interesse.", "Die Politiker*innen kenne ich gar nicht." und "Da kann man eh keine*n wählen." – sorry Leute, diese Aussagen kann man wirklich nicht gelten lassen. Informiert euch! Es ist ein Privileg, in einer freien Demokratie zu leben und von der eigenen Stimme Gebrauch zu machen.
Als 2023 Ukrainer*innen in den von Russland besetzten Gebieten zur Abstimmung gebeten wurden, um über kommunale und regionale Vertreter*innen abzustimmen, handelte es sich um eine Scheinwahl. Nur russische Parteien durften an der Wahl teilnehmen, vor und in den Wahllokalen standen Soldaten mit Maschinengewehren, um den Wahlausgang zu beeinflussen.
2013 sollen in Zimbabwe eine Million Bürger*innen systematisch an der Wahl gehindert worden sein.
Wenn es, wie in Kenia 2017, zu gewalttätigen Ausschreitungen kommt, und die Menschen dennoch kilometerweite Fußmärsche auf sich nehmen, um wählen zu gehen.
In Deutschland könnt ihr Botschaften auf eure Schilder schreiben und demonstrieren. Ihr müsst nur die Briefwahl beantragen, um von eurem Wahlrecht Gebrauch zu machen. Ja, es ist viel Papierkram. Ja, ihr müsst sie rechtzeitig beantragen. Ja, es sind dabei schon Pannen passiert. Aber Vorfahr*innen haben so viel auf sich genommen, damit Menschen in Deutschland frei wählen dürfen. Also bitte, nutzt dieses Privileg! Und wenn ihr die Briefwahl verpasst habt: Macht es Old School und sucht am 09. Juni 2024 ein Wahllokal auf und geht zur Europa-Wahl!