München hakt nach: Wie gut sind unsere Öffis?

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"München hat den besten Nahverkehr". Diese Aussage ist uns neu und ja, auch schon ein Weilchen her. 2010 kürte der ADAC München zur deutschen Stadt mit dem besten Nahverkehr. Untersucht wurden damals München, Köln, Frankfurt, Hamburg und Leipzig. Ausschlaggebend für den Sieg waren die schnellen Verbindungen, umfangreiche Informationen an Haltestellen und in Fahrzeugen sowie ein informativer Internetauftritt.

Das Ganze ist jetzt aber fast 14 Jahre her und wir haben angesichts verspäteter U-Bahnen, ausfallenden Nachttrams und dem sich häufenden S-Bahn-Chaos nicht das Gefühl, weiterhin auf dem ersten Platz zu landen. Doch ist das wirklich so? Hat das Schimpfen auf den Nahverkehr in München seine Berechtigung?

 

20 Millionen Kilometer mit der S-Bahn

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Starten wir mit ein paar Facts: Wusstet ihr zum Beispiel, dass München mit das größte S-Bahn-System in Deutschland hat? Die Münchner S-Bahn legt im Jahr über 20 Millionen Kilometer zurück und befördert damit täglich rund 840.000 Fahrgäste. Das System der gesamten S-Bahn in München beruht auf der Stammstrecke und wir Münchner*innen können dieses Wort mittlerweile wohl kaum noch hören. We feel you, denn die Strecke gibt es schon seit 1972 und wurde damals zu den Olympischen Spielen eröffnet. Kein Wunder also, dass sie mittlerweile an ihre Kapazitätsgrenzen stößt. Aufgrund der aktuellen Streckenführung müssen alle S-Bahnen durch einen Tunnel die Münchner Innenstadt unterqueren, um an ihre Zielorte zu gelangen.

Damit kommen wir zum Aufreger-Thema Nummer eins in München: den Ausbau der zweiten Stammstrecke. Um das unterirdische Nadelöhr zu umfahren, wird seit 2017 zwischen den Bahnhöfen Laim im Westen und Leuchtenbergring im Osten eine zweite Stammstrecke gebaut.

2. Stammstrecke: so far, so bad

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Von Beginn an, war das Projekt "zweite Stammstrecke" umstritten, dabei wird schon seit 1990 über neue Lösungen diskutiert. Die neue Streckenführung soll die alte Stammstrecke entlasten. Dass die sehr störanfällig ist, müssen wir keinem*r Münchner*in erzählen. Mit der zweiten Stammstrecke soll eine schnellere Route, und zwar mit der Einführung eines neuen Express-S-Bahnsystems, mehr Kapazität und auch eine schnellere Taktung möglich sein. Kernstück ist ein sieben Kilometer langer Tunnel, der den Hauptbahnhof und den Ostbahnhof miteinander verbindet. Im Zuge dessen werden die drei unterirdische Stationen Hauptbahnhof, Marienhof und Ostbahnhof komplett neu gebaut. Gerade am baufälligen Hauptbahnhof wurde das aber auch dringend Zeit – was internationale Tourist*innen wohl denken, wenn sie am veralteten Hauptbahnhofchaos ankommen?

Über den Ausbau der zweiten Stammstrecke gibt es aber nicht nur einiges zu denken, sondern auch zu sagen. Hauptproblem ist vor allem die finanzielle und zeitliche Kalkulation – tja, und die Kommunikation darüber. Ursprünglich sollte der Tunnel 3,5 Milliarden Euro kosten und bis 2028 fertiggestellt sein. Mittlerweile wurde eingeräumt, dass sich die Kosten auf mindestens 8,5 Milliarden Euro erhöhen, aktuell kursieren sogar Zahlen um die 14 Millionen. Naja, und vor 2037 wird dort vermutlich auch kein Zug rollen.

 

Was wäre mit einer Ringbahn?

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Nicht nur, dass diese Zahlen lange verschwiegen wurden. Das Projekt könnte tatsächlich nicht nur mehr kosten als der neue Flughafen BER in Berlin oder sogar Stuttgart 21, sondern auch die tatsächliche Sinnhaftigkeit der zweiten Stammstrecke wird von vielen angezweifelt. Viele fordern stattdessen den Ausbau einer Ringbahn, ähnlich wie es in Berlin mit der S41 und S42 funktioniert. Somit würde die durch die Innenstadt verlaufende Bahn sowie der hinsichtlich des hohen Verkehrsaufkommens Mittlere Ring entlastet werden.

Was sich nebenbei alle Münchener*innen wünschen: Eine höhere Taktung. Zehn Minuten auf eine neue Bahn warten zu müssen, ist für eine Großstadt wirklich zu lang. Gerade mit der Weiterführung des 49-Euro-Tickets wird die viel genutzt und das morgendliche Gequetsche sowie die klaustrophobischen Zustände zu Rushhours (die in München irgendwie immer sind) sind wir alle satt. (Das finden wir übrigens auch in U-Bahn, Bussen und Trams.)

Gerade mit der Weiterführung des 49-Euro-Tickets werden die Bahnen viel genutzt und das morgendliche Gequetsche und die klaustrophobischen Zustände zu Rushhours (die in München irgendwie immer sind) sind wir alle satt.

So satt vielleicht, dass wir vermehrt aufs Rad umsteigen. 2022 und 2023 nutzten so viele Münchener*innen wie noch nie das Fahrrad. Was gut ist, trotzdem sind die Fahrgastzahlen im öffentlichen Nahverkehr wieder annähernd auf dem Niveau wie vor Coronazeiten. Die große Nachfrage ist für die Stadt München Fluch und Segen zugleich. Durch das viel genutzte 49-Euro-Ticket würden Gelder für den Ausbau innerhalb der MVG fehlen, so Ingor Wortmann, Chef der MVG und Präsident des Verbands deutscher Verkehrsunternehmen. Denn rund 46 Prozent der Ticketnutzer*innen sind von einem vorher bestehenden Abo auf das günstiger 49-Euro-Ticket umgestiegen.

Müchen ist nicht mal im Top-Ten-Ranking

Die Finanzierungsfrage zum Ausbau ist also noch nicht geklärt, ebenso wie die Frage, ob München jetzt trotz aller großen und kleinen Probleme, nächtlichen Wartezeiten und Ausfällen, einen guten ÖPNV hat, oder nicht? Jurist*innen würden jetzt sagen: "Es kommt drauf." Es kommt eben darauf an, mit wem und anhand welcher Kriterien man München vergleicht. Die Städte in Deutschland sind unterschiedlich gebaut, Verkehrsnetze verschieden ausgelegt und Verkehrsmittel anders ausgestattet. Ein Vergleich ist schwierig.

Der Kölner Stadtanzeiger hat es mal probiert und kommt zum Ergebnis, dass Bonn aktuell das beste ÖPNV-Netz Deutschlands hat. In dem Top-Ten-Ranking der kreisfreien Städte taucht München dafür nicht auf. Stattdessen finden sich auf den ersten Plätzen unter Bonn, Mainz, Offenbach am Rhein und Frankfurt am Main. Fürth auf Platz fünf ist die erste Stadt in Bayern, die gelistet ist. Stattdessen finden sich drei bayerische Städte direkt ganz oben auf der Top-Ten-Flop-Liste: Memmingen, Kaufbeuren und Ansbach scheinen mit den schlechtesten Nahverkehr in Deutschland zu haben. 2023 erschien übrigens eine Umfrage des Reisemagazins "Time Out", die Menschen weltweit nach ihrem liebsten Nahverkehr befragten. Sieger war hier tatsächlich Berlin.

 

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Zur Not geht's mit dem Radl

Platz eins im Ranking zu besten ÖPNV Deutschlands werden wir mit München wohl vorerst nicht erreichen. Trotzdem wissen wir, dass wir schon auf einem hohen Niveau meckern, immerhin haben wir neben Bussen, S-Bahnen auch U-Bahnen und Trams zur Auswahl. Und falls die wieder streiken, steigen wir eben aufs Radl um. Das geht dank der kleineren Entfernungen in München ja gut – den Radausbau besprechen wir dann vielleicht ein anderes Mal. Falls ihr weitere Themen habt, die euch in München schon immer mal beschäftigt haben, dann schreibt sie uns gerne.

U-Bahn, Tram und Co.

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