Ganz der Baba #3: Hundert Euro für die Babymassage

© Marie Lechner

Sam und seine Frau haben nicht nur einen neuen winzigen Mitbewohner namens Teddy, sondern er auch einen neuen Job. Sam ist jetzt Papa – in Vollzeit. In dieser Kolumne nimmt er euch mit auf die Baustelle Baby. Warum freut man sich auf jemanden, den man noch gar nicht kennt? Was geht eigentlich bei den Münchner Mamas und was haben Air Jordans mit Feminismus zu tun? Immer mit dabei: die hilfreichen und manchmal fragwürdigen Lebensweisheiten seiner ägyptischen Mama. Folge Eins: Da isser!

„Ah, du bist also der angekündigte Papa!“. Die Stimme, die mir aus einem etwas unausgeschlafenen Gesicht entgegen tönt, singt mehr, als dass sie spricht. Dabei überschlägt sich die Fröhlichkeit so sehr, dass sie fast stolpert. Der Satz wollte wohl schon länger raus aus dem Resonanzkörper. Es ist Babymassagekurs. Ich war bei der ersten Stunden nicht da und offensichtlich wurde „der Papa“ angekündigt als käme ein Einhorn zu Besuch.

Also ihr bezahlt Geld dafür, dass man euch zeigt wie man einem Baby den Bauch streichelt? Das gibt es nur in Deutschland.

Meine Mutter in Kairo hat sich Schrott gelacht, als ich ihr am Telefon erzählte, dass ich mit Teddy zum Babymassagekurs gehe. „Also ihr bezahlt Geld dafür, dass man euch zeigt wie man einem Baby den Bauch streichelt? Das gibt es nur in Deutschland. Wenn Teddy Bauchweh hat dann streichle einfach kreisförmig um seinen Bauchnabel herum. So das macht dann hundert Euro! Hahaha!“

Im Kursraum sind Yogamatten kreisförmig ausgelegt und in der Mitte steht ein „entzückendes“ (hier klingt uns wieder die fröhliche Stimme im Ohr) kleines Gedeck mit Wasser und Tee. Die Frau mit der Stimme denkt wohl, dass ich in meinem ganzen Leben noch keine Yogamatten und Teegedecke gesehen habe und benennt mir daher alles Offensichtliche noch mal klar und deutlich – so wie diese Tonspur für Sehbehinderte im Fernsehen.
 Ich nehme all ihre Informationen mit einem hoffentlich nicht zu eingefrorenem Lächeln an.Ich gebe mir nämlich viel Mühe nicht eingefroren zu lächeln.

Kurz darauf sitzen alle Teilnehmer vor ihren nackten Babys und beginnen die Bäuche zu massieren.

Die anderen Kursteilnehmerinnen trudeln nach und nach ein und jede einzelne würdigt Teddy und mich mit besonders deutlichem Nicken und dazu passendem großspurig angelegtem Lächeln. Ungefähr so wie man aus Versehen immer in der Mimik übertreibt, wenn man mit jemandem kommuniziert, dessen Sprache man nicht spricht.

Die Begrüßungssequenz besteht aus vier Liedern und so Kniereiter-Spielchen, deren Text ich nur in einem playbackartigen Singsang mitsingen kann.
 Kurz darauf sitzen alle Teilnehmer vor ihren nackten Babys und beginnen die Bäuche zu massieren.

Neben mir erscheint mein 18-jähriges Ich: Cornrows, offene Air Force Ones, Goldkette. Ein kleiner Rapper namens Samsey. Diese dauerkiffende Version von mir kann sich beim besten Willen nicht entscheiden, ob sie verständnislos den Kopf schütteln oder mich hart auslachen soll. Wobei, mein junges Rapper Alter Ego muss dann doch nicht lange nachdenken und verfällt in schallendes Gelächter, das zum Glück nur in meinen Ohren klingt. Ganz abgesehen von dem schrillen Geträller der anwesenden Frauen im Raum.

Wie ein junger Jedi, der seine Fähigkeiten zum ersten Mal im Kampf anwendet, massiere ich sein Bäuchlein in Form des Schneckenkreisels als gäbe es kein Morgen.

Angesichts der steigenden Gefahr von Teddy im Zuge der Bauchmassage angekackt zu werden, muss ich mir große Mühe geben, nicht gestresst zu wirken. Dabei übersehe ich doch glatt, dass Teddyboy diese ganze Veranstaltung mit seligstem Grinsen genießt, was auch Samsey gnädiger stimmt.

Zwei Nächte später hat Teddy wohl ziemlich Bauchweh und wie ein junger Jedi, der seine Fähigkeiten zum ersten Mal im Kampf anwendet, massiere ich sein Bäuchlein in Form des Schneckenkreisels als gäbe es kein Morgen. In der nächsten Woche begrüßt Fräulein „fröhliche Flucht nach vorn“ mich wie 'nen alten Homie mit einem sympathisch kurzen „Hey Sam, was geht?“

Meiner Mutter wiederum schulde ich jetzt 'nen Hunni.

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