Kleine, geile Firmen #51 – Nachhaltige Zahnpflege von Happybrush
Mehr Start-Up-Idylle auf den ersten Blick geht nicht. Alle Mitarbeiter in dem riesigen, fast zu großen, Büro in der Lindwurmstraße sitzen gemeinsam am Mittagstisch und essen. Ausgelassene Stimmung und heile Welt. Auch dem Chef scheint bei der Begrüßung die Sonne aus dem Gesicht. „Kaffee?“, fragt Stefan Walter, Geschäftsführer von Happybrush. Sein fettes Grinsen gehört quasi zu seinem Beruf. Denn zusammen mit seinem Geschäftspartner Florian Kiener sagte er einen verheerenden Satz: „Lass mal 'ne elektrische Zahnbürste machen.“ Und so sollte es geschehen. Die beiden gründeten 2016 das Müchner Start-Up Happybrush mit einem nicht gerade niedrig gesteckten Ziel: Die Zahnpflege-Industrie revolutionieren. What? Da mussten wir gleich mal genauer nachfragen.
Happybrush: Nachhaltig auf die Beißerchen schauen
Stefan und Flo haben schon ihr halbes Berufsleben anderen Leuten irgendwie auf's Maul geschaut. Stefans Papa ist zudem noch Zahnarzt. Wen wunderts also? Bei Procter & Gamble, einem DER Global Player der Zahnpflege-Branche, arbeitete Stefan im Marketing und Flo im Vertrieb. Das Wissen über Zahnbürsten, Mundspülungen & Co. so wie der Traum vom eigenen Start-Up ließen die Idee vor drei Jahren Realität werden. „Der Markt ist super interessant, aber auch sehr angestaubt. Das wollten wir ändern.“, erzählt Stefan. Sie wollten eine coole Zahnbürste herstellen, die gleichzeitig auch noch nachhaltig ist. Das haben sie geschafft. Zweifelsfrei.
Alle Verpackungen sind zu hundert Prozent recyclebar und durch die kompakte Größe auf das Nötigste reduziert. Die Aufsteckbürsten kommen in kleinen Kartonverpackungen und passen in den Briefkasten! Dazu wird die Zahnpasta in einer ebenfalls komplett recyclebaren Tube abgefüllt und hat ein aluminiumfreies Verschluss-Siegel. Die Designs sind stylisch und werten jeden Kulturbeutel und jedes Badezimmer tatsächlich auf. Der Fakt, dass die junge Zielgruppe viel unterwegs ist, führte dazu, einen Lithium-Ionen-Akku in die Zahnbürste zu bauen. So muss das Handgerät nur noch alle vier Monate an den Strom und nicht jeden Tag auf die Ladestation. Selbst die Flasche des Mundwassers ist aus recycelten Flaschen. Ja spinnst du!
Wasser für die Welt – durch Zahnbürsten
Damit nicht genug. Happybrush kooperiert auch mit dem Verein ‚Viva con Agua‘ bzw. der Welthungerhilfe und pro Mundwasser oder Zahnpasta sorgt Happybrush für symbolische zwei Tage Wasser für Menschen in Not – bei den Aufsteckbürsten sogar eine ganze Woche.
Mit Bewusstsein für das eigene Glück
„Wir sind uns bewusst, dass es nicht allen Menschen so gut geht wie uns. Als Unternehmen sehen wir uns in der Verantwortung, uns an einem gesellschaftlichen Wandel zu beteiligen“, schreiben die beiden Gründer auf ihrer Homepage. Besucht man das Office von Happybrush in der Lindwurmstraße, so merkt man gleich, dass die beiden solche Sätze nicht aus Sales-Gründen oder wegen Greenwashing von sich geben, sondern weil sie einfach ihr Herz am richtigen Fleck tragen. Beispiel? Der letzte Betriebsausflug ging zur Münchner Abfallwirtschaft. Sie wollten erfahren, wie man in Zukunft besser Müll vermeiden kann.
Geht doch! Fast alles made in Germany.
Die Bürsten werden in Heidelberg hergestellt, die Zahnpasta in Dresden, das Travelbag in Berlin. Happybrush zeigt, dass es schon irgendwie auch nachhaltig geht, wenn man denn nur will und auch bereit ist mal den Meter mehr zu gehen. Lediglich die Handgeräte und die Ladestationen der elektrischen Zahnbürsten werden in China hergestellt.
Die Höhle der Löwen: Fluch und Segen eines TV-Auftritts
Mit gerade einmal neun festen Mitarbeitern in München wuppt die Happybrush-Crew gerade das ganze Business. Ihre Idee von der nachhaltigen Zahnbürste brachte die beiden vor eineinhalb Jahren auch in die TV-Show „Die Höhle der Löwen“. Mit Ralf Dümmel und Carsten Maschmeyer wollten gleich zwei Investoren Anteile an der Münchner Firma übernehmen. Wenn Stefan Walter aber heute von dem Impact der TV-Show erzählt, muss er schon tief schnaufen. Lange Vorbereitungen vor der Show, harte Gespräche bei der zugeschnittenen Sendung und im Nachgang harte Verhandlungen mit den beiden aussichtsreichen Investoren. Am Ende konnten sich Dümmel, Maschmeyer und Happybrush nicht einigen, was der Bekanntheit der Firma aber sicher keinen Abbruch tat. „Die Zeit nach der Sendung war aber schon tough. Heftige Vorproduktion und kurze Nächte“, erzählt Stefan heute.
Commitment an die Lindwurmstraße
In Zukunft wollen die beiden, wie es sich für ein Start-Up gehört, noch weiter expandieren, ohne ihre Vision zu verlieren. Eine nachhaltige, elektrische Zahnbürste für 60 Euro Neupreis bringt man sicher nicht auf den Markt, wenn man möglichst schnell Porsche fahren möchte und den Exit sucht – wenn man einen Fünf-Jahres-Mietvertrag in der Lindwurmstraße unterschreibt auch nicht. "Die Ansiedlung im unteren Preissegment freut die Geschäftsführer und vor allem die Kunden, die Finanzabteilung rollt aber schon manchmal die Augen,“ so Walter.
Addiert man die USPs von Happybrush zusammen, so ist es so erschreckend gut, dass man fast schon zu zweifeln beginnt. Die meisten Produkte ‚Made in Germany‘, Kooperation mit der Welthungerhilfe und Nachhaltigkeit auf allen Ebenen. What else? Weltfrieden?
Mittlerweile hat sich der Mittagstisch in eine Tischtennisplatte verwandelt und zwei
Mitarbeiter bestreiten gerade ihren dritten Satz. Ob Dr. Best in seinem weißen Kittel auch mal die Schläger geschwungen hat, bleibt zu bezweifeln. Deswegen ist er ja auch ein alter, weißer Mann mit einer Tomate in der Hand – und nicht eine kleine geile Firma.
München legt gern selbst Hand an. Fast jede Woche gründet sich hier eine neue Firma, wird ein neues Label vorgestellt oder neues Produkt lanciert. Wir stellen euch die kleinen, geilen Firmen der Stadt vor. Die Bedingungen sind simpel. Klein müssen sie sein, das heißt weniger als zehn Mitarbeiter und natürlich: Geil.