Mein Lieblingsort in München #9: Der Salon Irkutsk in der Maxvorstadt

Wir empfehlen jeden Tag jede Menge toller Locations, ausgesucht von uns und unseren Autoren. Und trotzdem hat jeder von uns dieses eine immer gleiche Café, in dem er schon seit Jahren draußen seinen Cappuccino trinkt, den einen See, an den er immer wieder fährt und von dem er einfach nicht genug bekommt oder diese eine Ecke der Stadt, die sein Herz immer wieder höher schlagen lässt. Hier kommen unsere ganz persönlichen Lieblingsorte in München – diesmal der Salon Irkutsk in der Maxvorstadt.

Mein Lieblingsort in München ist eine Bar. Und zwar nicht nur, weil sie direkt bei mir ums Eck ist, es dort hochprozentigen Alkohol gibt oder weil ich dort als Nebenjob mein Geld verdiene. So kitschig und abgedroschen es klingt, aber im Salon Irkutsk habe ich einfach immer das Gefühl zur richtigen Zeit am richtigen Ort zu sein.

Mein Lieblingsort in München #9: Der Salon Irkutsk in der Maxvorstadt
© Ida Heinzel
Der Salon fängt einen im Alltags-Chaos auf wie eine mollige russische Oma, die dir einen hausgemachten heißen Borschtsch einflößt, dir einen selbst eingelegten Zimt-Wodka vor die Nase stellt und dir aufmunternd auf die Schulter klopft.

Wenn man nicht weiß, was sich darin verbirgt läuft man an der kleinen Bar in der Isabellastraße schnell mal vorbei oder lässt sich von der kyrillischen Schrift auf dem Schild über dem Laden abschrecken. Drinnen erwarten einen türkise Wände, eine knallrote Bar, ein neongrünes Leuchtschild und eine imposante Sammlung an Wermutflaschen aus aller Welt, die an der Decke aufgereiht sind. Die gesamte Einrichtung ist ein Stilbruch in sich, was die Bar zur perfekten Mischung aus uriger Boazn und hipper spanischer Kneipe macht.

Auf dem Schild vor der Tür wird der Salon als Kleinkunstrefugium mit Wermut und Wodka angekündigt und genau das ist er auch: ein Zufluchtsort für alle, denen die Stadt, der Job oder das Leben im Allgemeinen gerade zu viel ist und die eine Auszeit brauchen. Der Salon fängt einen im Alltags-Chaos auf wie eine mollige russische Oma, die dir einen hausgemachten heißen Borschtsch einflößt, dir einen selbst eingelegten Zimt-Wodka vor die Nase stellt und dir aufmunternd auf die Schulter klopft.

Mein Lieblingsort in München #9: Der Salon Irkutsk in der Maxvorstadt
© Ida Heinzel

Hier interessiert es niemanden wie cool oder hip du bist, welche Sprache du sprichst oder wie viel Geld du grade auf dem Konto hast. Mit herrlicher Ungezwungenheit zeigt der Salon Irkutsk dem Münchner Sehen und Gesehenwerden einen Mittelfinger und empfängt alle, die hier her finden, mit offenen Armen.

Mit herrlicher Ungezwungenheit zeigt der Salon Irkutsk dem Münchner Sehen und Gesehenwerden einen Mittelfinger und empfängt alle, die hier her finden, mit offenen Armen.

Ein bisschen fühlt es sich so an, als wäre hier die Zeit stehen geblieben. Man weiß nicht so recht, wie das funktioniert, aber der Salon konnte sich vor den Verpflichtungen des Finanzamts drücken und auf jegliche Technologie verzichten: statt eines Kassensystems gibt es eine riesige, nicht funktionsfähige, Oldschool-Kasse von 1911 und Strichlisten auf losen Zetteln an einer kleinen Pinnwand neben der Bar.

Mein Lieblingsort in München #9: Der Salon Irkutsk in der Maxvorstadt
© Ida Heinzel

Und nicht nur das ist irgendwie anders, als in anderen Bars. Jedem, der mal aus seiner sonstigen Blase rauskommen will, kann ich nur ans Herz legen mal zu einer der Veranstaltungen vorbei zu schauen! Zwei mal im Monat wechseln die Ausstellungen an den Wänden und sonntags gibt es Konzerte oder Lesungen. Es kommen keine angesagten Acts, sondern fabelhafte unbekannte Künstler oder Hobbymaler. Von Ukulele Kabaret, über Schwarzlicht-Ausstellungen bis hin zum Rembetiko-Abend, bei dem mit geschlossenen Augen getanzt wird – meist kurios, aber immer gut!

Es gibt wenige Orte in München, an denen wirklich unterschiedliche Leute aufeinander treffen. Meistens sind die Menschen in Bars schon recht homogen, ob 089 Bar oder Fox. In der kleinen Bar in der Maxvorstadt mischen sie sich aber in einer Intensität, die einen manchmal wundern lässt, wie so unterschiedliche Menschen so dicht aufeinander sitzen und so munter plaudern können. Da trifft die Gruppe junge Spanier auf drei Ur-Bayern aus der Nachbarschaft und der interessierte Kunststudent auf die etwas einsame ältere Frau mit Hund.

Mein Lieblingsort in München #9: Der Salon Irkutsk in der Maxvorstadt
© Ida Heinzel

Auch wenn einem München oft vorkommt wie eine einzige GZSZ-Folge und man, egal wo, jemanden direkt oder über 11 Ecken kennt, kratzen die meisten Begegnungen doch nur an der Oberfläche. Im Salon Irkutsk ist das anders – er hat absolutes Stammkneipen Potenzial. Man kennt sich hier: Die meisten Leute, die kommen, wohnen direkt ums Eck und sind jede Woche oder sogar täglich auf einen Wermut, Wodka oder ein schnelles Helles da.

Nicht selten passiert es, dass Leute alleine kommen, mit neuen Freunden gehen oder sich völlig fremde Menschen bei einem Konzert auf einmal mit glücksseeligem Lächeln im Gesicht in den Armen liegen und schön schief singen.

Hier kann man auch gut alleine sitzen, ohne komisch angeschaut zu werden. Und spätestens nach einem Wodka hat man eh jemanden gefunden, mit dem man plaudern kann. Nicht selten passiert es, dass Leute alleine kommen, mit neuen Freunden gehen oder sich völlig fremde Menschen bei einem Konzert auf einmal mit glücksseeligem Lächeln im Gesicht in den Armen liegen und schön schief singen.

Mein Lieblingsort in München #9: Der Salon Irkutsk in der Maxvorstadt
© Ida Heinzel

Ich kenne einfach niemanden, der mal da war und den Salon nicht in sein Herz geschlossen hat. Das passiert spätestens nachdem man mit dem Besitzer Daniel geplaudert hat, der sich trotz des rammelvollen Ladens für jeden Gast Zeit nimmt und in aller Ausführlichkeit leidenschaftlich von verschiedenen Wermut-Sorten und Cocktail-Kreationen erzählt. Obwohl Daniel eindeutig die Seele des Ladens ist, sind es doch das gesamte Team und auch die Stammgäste, die den Salon so unfassbar charmant machen.

Wie alles, hat auch der Salon seine Ecken und Kanten: Im Sommer hat es Sauna-artige Temperaturen, grundsätzlich ist es voll und eng und laut. Aber das gehört zum Irkutsk-Gefühl halt dazu. In der Anonymität der Stadt ist der Salon ein Refugium der Nachbarschaftlichkeit und Zugehörigkeit, nach der sich doch irgendwie insgeheim jeder von uns sehnt. Und mit deftigen Pelmeni im Bauch und einem eiskalten Johannisbeer-Wodka in der Hand, kann man sich hier nur fühlen, wie zur richtigen Zeit, am richtigen Ort.

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