Alleine in eine Bar gehen – in München eine Mutprobe!

© Anna Rupprecht

In Print-Zeitschriften gehört es dazu, dass der Herausgeber auf der ersten Seite die Stimmung, Meinung oder Richtung der jeweiligen Ausgabe einfängt. Warum gibt es das auch nicht online?, haben wir uns gefragt. Denn genauso schwirren jede Woche Gefühle, Stimmungen und Meinungen durch München, die wir zwar mitbekommen, aber nirgends festhalten. Diese Kolumne ist der Platz, an dem ich all meine Gedanken zu München und dem, was mir diese Woche in der Stadt begegnet ist, sammle. Heute: In München alleine in eine Bar zu gehen, ist fast die größte Mutprobe von allen.

Am Freitagabend war ich leicht angetrunken und voller Tatendrang, als sich mein Besuch viel zu früh verabschiedete. Die Weinflasche stand noch halbvoll auf dem Esstisch, ich drehte die Musik auf und wusste: Okay Anja, du hast jetzt zwei Möglichkeiten – entweder betrinkst du dich alleine daheim oder du gehst alleine in eine Bar. Im ersten Moment fand ich beides gleichermaßen armselig. Und das zeigt das Problem in München schon ganz gut, denn alleine in eine Bar gehen, steht hier nicht wirklich auf der Tagesordnung.

München ist die Stadt der Grüppchen. Hier geht man nur wohin, wenn man safe weiß, dass man jemanden kennt oder dass zumindest noch jemand nachkommt, den man safe kennt.

München ist die Stadt der Grüppchen. Hier geht man nur wohin, wenn man safe weiß, dass man jemanden kennt oder dass zumindest noch jemand nachkommt, den man safe kennt. Und da eben niemand alleine auf Events geht, lernt man dort als Einzelgänger auch niemanden kennen. So einfach beziehungsweise schwierig ist das. Ich wurde sogar schon öfter schräg angeguckt, wenn ich meinen Münchner Freunden erzählt habe, dass ich heute alleine frühstücken, Mittag essen oder Kaffee trinken war: "Ganz alleine? Warum?". Genau das ist der Punkt in München – warum? Wer nicht muss, geht auch nirgendwo alleine hin. Und viel zu viele Freunde, die man dank viel zu viel Arbeit viel zu wenig sieht, gibt's eh genug.

Auf dem Weg in die Bar versuchte ich diese noch zu mobilisieren. Aber wie das eben auch in München so ist: Jeder war natürlich seit Tagen längst verplant, unterwegs, spontan gleich null. In der Bar angekommen, gab ich mich dann meinem Schicksal hin und fühlte mich natürlich erst einmal wahnsinnig beobachtet –lag natürlich vor allem an mir. Als ich das ganz gut im Griff hatte, kam das nächste Problem auf: Wohin mit mir und was tue ich dort? Also stellte ich mich an die Bar und guckte mich um. Kein Problem anscheinend, wenn das ein Typ macht – der einsame Mann an der Bar gehört schon fast zum Inventar, er ist Sinnbild für Freiheit, Traurigkeit und harten, schweren Alkohol – aber Frauen alleine an der Bar, sind, wie ich schnell feststellen musste, einfach nur Freiwild.

Münchner sind absolut überfordert davon, wenn sie angesprochen werden. Also nicht in einem Mann-Frau-Kontext, sondern eigentlich in jedem Kontext.

Mir wurde den ganzen Abend über immer wieder subtil unterstellt, dass ich ja nur auf der Suche war. Und wenn auch nur im Spaß, war es einfach daneben. So schön, dass Frauen nicht einfach abends das Haus verlassen dürfen, wenn ihnen danach ist. Die zweite Challenge konnte ich also nicht wirklich meistern, denn egal, wie ich mich nun umguckte, ich wollte auf keinen Fall suchend wirken, also guckte ich gar nicht mehr. Sondern redete. Und kam so zu der dritten Sache, die mir auffiel: Münchner sind absolut überfordert davon, wenn sie angesprochen werden. Also nicht in einem Mann-Frau-Kontext, sondern eigentlich in jedem Kontext.

Und so kam ich mir, während ich den Leuten neben dem DJ-Pult etwas über den DJ erzählte oder draußen beim Rauchen ein Pärchen in einen Wetter-Smalltalk verwickeln wollte, irgendwie armselig, weil abgewiesen vor. Hätte ich mich nur alleine daheim betrunken, dachte ich. Das Fazit war also: Alleine in München weggehen, das kann man schon machen, aber man bleibt halt auch alleine. Beziehungsweise als Frau halt leider nicht. Alleine weggehen mit dem Ziel Partnersuche klappt gut, alleine weggehen, einfach, weil es Spaß macht, so naja. Ihr seht: München ist auch im Nachtleben wie immer ziemlich zielorientiert unterwegs.

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