"Mia san fucking mia" – Textiler Lokalpatriotismus aus der Hölle
Mit der Mode ist das so eine Sache. Vielleicht müssen einige Dinge nur deshalb in Mode kommen, damit sie irgendwann endlich wieder out sind. Natürlich nur, um dann doch wieder ausgegraben und reanimiert zu werden. Gutes Beispiel: Tattooketten. Schlechtes Beispiel: T-Shirts mit Sprüchen.
Denn zweitere feiern zwar gerade ein (sehr lokales) Revival, aber wirklich in Mode waren sie doch eigentlich nie. Höchstens bei Männern mit stolzem Bierbauch, jenseits der fünfzig. Denn die sind die einzigen, die dank ihrer Statur in der Lage sind, der Message auf dem Shirt tatsächlich wahre Tiefe zu verleihen.
Die Shirts sollen vermutlich ein Zugehörigkeitsgefühl zu einer gewissen Personengruppe (Münchner?!) hervorrufen. Klappt super. Selten wollte ich so wenig dazugehören.
Aber was soll's, Sprüche auf Shirts sind ja eigentlich kein Grund sich aufzuregen. Zum Beispiel: "Ich bin nicht 40, sondern 21 mit 19 Jahren Erfahrung". Da langt's höchstens für ein Kopfschütteln und ein bisschen Fremdscham. Aber nun ist vor einiger Zeit Folgendes in München passiert: Das plumpe Sprüche-Shirt hat sich aus seiner gewohnten Umgebung gewagt und sich mit dem (ziemlich abgetragenen) pseudointelektuellen Jutebeutel gepaart. Herausgekommen ist der fragwürdige Trend, bayerische Sprüche auf Shirts zu drucken. Freche Sprüche, versteht sich.
"Mia san fucking mia" ist also kein Spruch, den ein präpubertärer Milchbubi aufs Klo der Allianz Arena geschmiert hat. Leider. Nein, erwachsene Menschen kaufen sich tatsächlich T-Shirts, auf deren Brust in großen Lettern dieser befremdliche Claim prangt. Soll vermutlich ein Zugehörigkeitsgefühl zu einer gewissen Personengruppe (Münchner?!) hervorrufen. Klappt super. Selten wollte ich so wenig dazugehören.
Vielleicht ist es nur eine große Marketingmaschinerie, finanziert von unterschlagenen Spendengeldern der CSU.
Dabei machen das die diversen Brands, die sich dieser Marktlücke angenommen haben, ganz gut. Die Shirts haben schöne Schnitte, nette Farben und Designs, die nicht so aussehen, als hätte man sie mit Paint und Microsoft Office 97 gestaltet. Byebye, Comic Sans!
Die Sprüche und Prints reichen von dezent lieb ("Schmusen warad jetzt schee") über provokant und überdimensioniert ("Mia san fucking mia") bis einfach nur peinlich ("Dahoam in Minga") und richtig unangenehm ("Übern Haufa kuschelt gheast"). Dazu noch eine random Breze, ein 089 oder ein Bierkrug und fertig ist der textile Lokalpatriotismus.
Zwischendurch muss ich mich fragen, ob es hier wirklich um die angepriesene "Heimatliebe" geht, oder ob das Ganze nicht einfach nur eine große Marketingmaschinerie ist. Finanziert von unterschlagenen Spendengeldern der CSU. Aber dann würde vermutlich "Make Bavaria Great Again" auf der Kleidung prangen.
Ich würde es mir ja irgendwie wünschen, dass diese kleine Verschwörungstheorie zutrifft, dann hätte ich zumindest eine Erklärung für diese Entwicklung. Denn ich weiß nicht, was mir mehr Sorge bereitet: Dass die Komplexe anscheinend so groß sind, dass man seine Liebe zur Stadt nicht einfach nur genießen kann, sondern sie in Schriftgröße 3500 auf irgendwelche Textilien klatschen muss. Schade, um die Farbe. Dass es um den guten Geschmack in dieser Stadt so schlecht bestellt ist. Oder dass es wirklich Leute in München gibt, die ihre Stadt Minga nennen.
Beim Anblick dieser "bayerischen Mode" stellen sich mir sämtliche Haare an meinem Körper auf und ich bekomme das Bedürfnis Bockfotzn zu verteilen.
Es tut mir wirklich leid, aber beim Anblick dieser "bayerischen Mode" stellen sich mir sämtliche Haare an meinem Körper auf und ich bekomme das Bedürfnis Bockfotzn zu verteilen. Woher kommt dieser Trend zu diesem pseudo-bayerisch-modernen-Hybrid-Schmarrn? Das passiert nämlich nicht nur auf Shirts, sondern auch in Restaurants, die sich dann modern bavarian cuisine auf die Fahnen schreiben. Da bekommt das Wammerl mit Knödln und Soß' dann einen lustigen bayerische Namen wie "Sauguad", obwohl es doch schon einen ganz normalen bayerischen Namen hat.
Am meisten tappe ich aber im Dunkeln bei der Frage, wer die Zielgruppe für eine "Heimatliebe"-Kappe sein soll. Tante Brigitte vielleicht, die das eine "super witzige Idee" findet und deshalb für die ganze Familie – geschlechtskonform Rosa für die Mädchen, Dunkelblau für die Jungs – einkauft? Oder ist es der traurige Versuch verzweifelter Zuagroaster das oben erwähnte Zugehörigkeitsgefühl zu erreichen?
Ich bleibe allerdings bei der Theorie mit der Marketingmaschinerie – und hoffe, dass sie stimmt. Vielleicht ist aber nach vielen Jahren auch endlich die Ironie in München angekommen. Denn ein "Bazi di Bavaria" oder "Minga Bella"-Shirt kann doch niemand aus echter Überzeugung tragen. Dann doch lieber Bierbauch und Comic Sans.