Dorf statt Großstadt: Warum ich an Weihnachten so gerne heimfahre
Wohnt und lebt man in München, dann gehört es quasi zum Alltag, dass schon nach einem verlängertem Wochenende wieder drei neue Läden aufgemacht haben, von denen alle sprechen, aber nicht zwangsweise alle hingehen. München ist Fluktuation, München ist schnelle Veränderung, München ist Zukunft. Pam, pam, pam! Naja, zumindest im Vergleich zum Land und ganz speziell an Weihnachten. Und natürlich, wenn man wie der Großteil der hier lebenden Menschen, ein so genannter "Zuagroaster", aus dem nahen und fernen Umland ist. Also so einer wie ich.
Weihnachten ist für Wahl-Münchner*innen weit mehr als ein Familienbesuch. Weihnachten für Zugezogene ist besonders, weil die Eltern, Omas und Opas eben nicht direkt ums Eck wohnen.
Daheim ist dann Vergangenheit, Tradition und immer so, wie es schon immer war – auch wenn das eigentlich auch super auf München passt. Zukunft vs. Herkunft. Die Zuagroasten fahren über die Feiertage heim. Natürlich. Weihnachten ist für Wahl-Münchner*innen weit mehr als ein Familienbesuch. Weihnachten für Zugezogene ist besonders, weil die Eltern, Omas und Opas eben nicht direkt ums Eck wohnen.
Weil dieses Kindheitsgefühl irgendwie konserviert werden möchte, läuft Weihnachten daheim in den meisten Fällen auch jedes Jahr identisch ab. Das ist wichtig in solch stressigen Zeiten, deren städtische Rastlosigkeit im „besinnlichen“ Advent gipfelt. Von wegen stade Zeit. Die bekommen wir dann erst daheim, denn nur an Weihnachten beschert das Christkind wenigstens einmal im Jahr einen Slow-Down. Einmal durchschnaufen. Noch einmal Kind sein. Alles was man so das ganze Jahr über vermisst hatte – oder von dem man erst jetzt merkt, dass man es vermisst hat – wird hemmungslos ausgekostet.
Chris Rea’s „Driving home for Christmas“ füllt jedes Jahr wieder die Facebook-Timelines. Gepostet von der A9, A8, A95 und wie sie alle heißen.
Chris Rea’s „Driving home for Christmas“ füllt jedes Jahr wieder die Facebook-Timelines. Gepostet von der A9, A8, A95 und wie sie alle heißen. Von den Leuten, die sich während der Wiesn als Einheimische präsentieren. Der vielleicht einzig wirklich ehrliche und emotionale Post des Jahres, weil so viel an diesen Zeilen hängt. Denn dieses Gefühl des Heimkommens kennt natürlich nur, wer diese Heimat, diese Herkunft, nicht jeden Tag vor der Tür hat. Ur-Münchner*innen würden doch nie auf die Idee kommen, dieses Lied am Heiligabend aus der U4 oder der Tram zu posten.
Der Track ist scheiße, klar, aber er beschreibt ein schwer zu erklärendes Gefühl. Ein Gefühl wie Feierabend, nur fürs ganze Jahr. Eine Mischung aus Zufriedenheit und Erleichterung, dass man doch noch diese stressige Weihnachtszeit irgendwie gemeistert hat. Ein Gefühl der Vorfreude und der Sehnsucht, garniert mit einem kleinen bisschen Heimweh. I made it!
Eine einfache, heimatliche Bratwurst oder ein schlechter Bacardi Cola ist die natürliche, jährliche Erdung auf den Boden des guten Geschmacks.
All diese Granolas, Pokes und Chias in der Stadt sind lecker und toll und wir sind ja froh, dass wir den Absprung vom kleinen ins große Dorf, von der Provinz in die vermeintliche Metropole geschafft haben. Aber manchmal ist eine einfache, heimatliche Bratwurst oder ein schlechter Bacardi Cola die natürliche, jährliche Erdung auf den Boden des guten Geschmacks. Für weniger Trends und mehr Gewohnheit.
Natürlich verändert sich auch die Heimat (vielleicht ein bisschen langsamer als in einer Großstadt), aber das will man am so sehnlich erhofften Weihnachtsbesuch gar nicht wahrhaben. Deshalb ist Weihnachten immer vollgepackt mit so vielen Ritualen, die einfach schon immer so gemacht wurden. Der Glühweintreff aka Abschuss mit den Schulkolleg*innen oder der Heiligabend mit der Familie.
Alles so, wie es immer war. Bitte nicht berühren! Auch wenn das natürlich Käse ist, sich alles verändert, nichts mehr so sein wird, wie es einmal war und man sich diese Weihnachtstraditionen immer mehr einreden muss, ist sie trotzdem so wunderschön daheim. Die gute. Die alte. Die stade Zeit. Weihnachten in München werde ich hoffentlich nie erleben.