Ausstellungen und Stammtisch – das Kunsthaus Raab in Neuhausen
Leerstand, Raumnot und Zwischennutzungen. Wörter, die zu München gehören wie Spezi und Knödel. Das Kunsthaus Raab setzt sich mit diesen Thematiken künstlerisch auseinander und bereichert seit September die Neuhausener Kunst-Szene – und eigentlich die ganz Münchens – enorm.
Dabei handelt es sich um eine Zwischennutzung, initiiert von Gabi Blum, assistiert von Paulina Nolte, ermöglicht und unterstützt durch die Baugenossenschaft München-West des Eisenbahnpersonals und gefördert vom Bezirksausschuß Neuhausen-Nymphenburg und vom Kulturreferat der Landeshauptstadt München. Ursprünglich war die Nutzung nur bis Ende des Jahres geplant, für den Januar und Februar 2019 konnte spontan noch verlängert werden.
Kunst ein Zuhause bieten, die sonst verschwindet
Im Kunsthaus Raab werden momentan unter anderem Kunst von 21 Neuhauser Künstlern und die Top drei des Kunstpreises für fragwürdige Arbeiten ausgestellt. Vor dem Hintergrund der Mieterinitiative „Baugenossenschaften erhalten“, beschäftigen sich die Arbeiten mit aktuellen Problemen wie Leerstand und Raumnot. Verschwundene und nicht vorhandene Räume werden thematisiert, steigende Mietpreise auf die Schippe genommen und Fragen zu Konsumverhalten und -verweigerung künstlerisch interpretiert.
Kunst, für die es keine Räume gibt und die sonst verschwinden würde, soll ein Zuhause bekommen. Dabei gibt es keine Einschränkungen hinsichtlich der Art und Form von Kunst – von Formen des künstlerischen Widerstands, Projekten zu sozialen Gefügen und Arbeiten im Kollektiv sind die ausgestellten Werke und Performances vielfältig. Die Relikte vergangener Aktionen und Ausstellungen sollen bestehen bleiben, damit sich der Raum mit der Zeit füllt und am Ende der Zwischennutzung ein Gesamtkunstwerk aus einzelnen Ausstellungen und Überbleibseln entsteht.
Sich wandelnder Raum und Stammtisch
Das Kunsthaus Raab versteht sich nicht als starres Projekt, sondern möchte einen Raum bieten, der sich ständig wandeln soll und darf. Dabei wird mit den Faktoren Zeit und Vergangenheit gespielt. Früher war die Location zum Beispiel mal ein Schuhgeschäft und auch ein Wirtshaus war hier einst zu Hause. Daran erinnern nun die Stuckdecke und ein Wirtshaustisch mitten im Raum.
Die Vergangenheit passt auch wunderbar zu den heutigen Zielen, da das Kunsthaus Raab nicht nur einen künstlerischen, sondern auch einen sozialen Anspruch hat: Für die Nachbarschaft und alle Interessierten soll ein Stammtisch entstehen, an dem man sich treffen und austauschen kann.
Modelle der Wirklichkeit
Neben ständig wechselnden Ausstellungen wird ein buntes Programm von Workshops, über Künstler-Vorträge und Video-Screenings hin zu sonntäglichen Matinées geboten. Das Programm ist nicht starr, sondern oftmals spontan und frei gestaltet. Informiert euch am besten über den Kalender auf der Website über aktuelle Aktionen.
Momentan könnt ihr in der kürzlich eröffneten Video-Ausstellung im Hinterzimmer eurem Voyeurismus frönen! Fremde Tagesabläufe werden in Original-Umgebung nachgestellt, Bewohner Berlins mit einer Drohne beobachtet und fremde Menschen zusammen in einen Raum gesteckt. Alle Video-Installationen sind von jungen Künstlerinnen und beschäftigen sich thematisch mit dem Konstrukt Heimat und hinterfragen Formen von Behausungen und Familien.
Kirschwasser und Pop-Art-Wohnung – Programm im November und Dezember
Am 24. und 25. November könnt ihr Kirschwasser trinken, während ihr über die Vereinbarkeit von Kunst und Technologie, Einbürgerung und die selbsternannte Republik Užupis sinniert. Sonst stehen im November und Dezember unter anderem noch Buchpräsentationen, die Kunst-Arbeiterinnen-Konferenz und eine Tombola an.
Ein Highlight ist auch der Vortrag über Kunst als soziales Experiment am Beispiel der “ja!”-Wohnung in Offenbach. Vier Studenten der Hochschule für Gestaltung haben sich von Pop-Art Kreationen Warhols inspirieren lassen und 2002 ihre WG in ein Gesamtkunstwerk verwandelt: Ihre gesamte Wohnung erstrahlte in neutralisierendem Weiß und war versehen mit dem leuchtend blauen "ja!"-Logo und der genauen jeweiligen Produktbezeichnung in rot. Wer mehr zu der ungewöhnlichen Rauminstallation hören will, sollte am 8. Dezember zum Vortrag von Hank Schmidt in der Beek im Kunsthaus vorbeischauen.
Kunsthaus Raab | Donnersbergerstraße 15, 80634 München | Donnerstag und Freitag 13.00–19.00 Uhr | jeden Donnerstag Führung um 18.00 Uhr | Mehr Info