Okay, ich geb's zu, ich fahre schwarz!

© Nina Vogl

Ich fahre schwarz. So, jetzt ist es raus. Und wisst ihr, was das Schlimmste daran ist? Ich habe kein schlechtes Gewissen deswegen. Also zumindest nicht gegenüber demjenigen, den ich hier um sein Geld – oder besser: Beförderungsentgelt – bescheiße. Meine moralischen Alarmglocken sind in diesem Zusammenhang einfach auf stumm geschaltet. Kein Mitgefühl für die MVG.

Ich mache das irgendwie schon immer – so ein bisschen zumindest. Ich bin überzeugter Fahrradfahrer und daher nutze ich die öffentlichen Verkehrsmittel nicht ganz so regelmäßig. Noch unregelmäßiger habe ich dann ein gültiges Ticket. Meine Ausreden dafür sind schwach bis nicht vorhanden, aber ich habe nicht mal das Bedürfnis mich dafür zu rechtfertigen. Wie gesagt: Kein schlechtes Gewissen.

Meine moralischen Alarmglocken sind in diesem Zusammenhang einfach auf stumm geschaltet. Kein Mitgefühl für die MVG.

Ein mulmiges Gefühl im Magen habe ich trotzdem jedes Mal. Aber eben nicht, weil ich gerade moralisch verwerflich handle, sondern weil ich ganz einfach keinen Bock habe, beim Schwarzfahren erwischt zu werden. Und dabei sind es nicht die 60 Euro Bußgeld, die ich zahlen müsste – die habe ich sowieso längst reingefahren. Es ist schlicht und ergreifend diese unangenehme Situation, in der man dann so tut, als würde man nach dem Ticket wühlen und ganz erstaunt drein schaut, wenn man sein nicht existentes Semesterticket nicht findet.

Wenn ich mir dann also mal eine Fahrkarte kaufe, dann nicht, weil es richtig ist, sondern weil ich keinen Bock habe bei jeder Station mit Herzklopfen nach einer unpassend zusammengewürfelten Dreier-Umhängetaschen-Gang Ausschau zu halten, um gegebenenfalls rechtzeitig die Flucht zu ergreifen. Fahrkarte kaufen ist also mein persönlicher Ablasshandel und nicht ganz normales Bezahlen für eine Dienstleistung, die ich in Anspruch nehme. Irgendwie asozial. Aber was die MVG nicht weiß, macht sie auch nicht heiß und die Tram fährt ja sowieso, oder?

Wenn ich nämlich all das Geld, das ich mir beim Schwarzfahren gespart habe, in Cheeseburger investiert hätte, würde ich nicht nur der MVG, sondern auch dem deutschen Gesundheitssystem auf der Tasche liegen.

Und genau da liegt vielleicht der Hund begraben. Die Tram, der Bus und die U-Bahn fahren ja auch ohne, dass ich 3,40 Euro für eine Einzelfahrt in den Schlund des Fahrkartenautomats werfe. Meinem Gewissen langt das und speist mich mit meiner erfolgreich erprobten Cheeseburger-Theorie ab, mit der ich seit Jahren meine Ausgaben ins Verhältnis setze (auch wenn sich meine Cheeseburger-Liebe mittlerweile gelegt hat). Wenn ich nämlich all das Geld, das ich mir beim Schwarzfahren gespart habe, in Cheeseburger investiert hätte, würde ich nicht nur der MVG, sondern auch dem deutschen Gesundheitssystem erheblich auf der Tasche liegen. Doppelt asozial.

Aber es ist nun mal so, dass mein Geiz einfach größer ist und damit haben wir wohl doch die Erklärung. Ich habe keine Ahnung, ob 3,40 Euro für eine Einzelfahrt gerechtfertigt oder nötig sind, – in Tallinn kostet der öffentliche Nahverkehr zum Beispiel gar nichts – aber mir ist das schlicht und ergreifend zu viel. Und ich tue ja mit einem Nichtkauf nur so indirekt etwas Schlechtes, right? Der Straftatbestand des Schwarzfahrens heißt nicht umsonst Erschleichung einer Leistung.

Ich habe zum Beispiel noch nie in meinem Leben Kaugummi im Supermarkt geklaut oder im Restaurant die Zeche geprellt. Macht man auch nicht. Aber dann gibt es wiederum so Dinge, bei denen man das Gefühl hat, dass sie niemandem so richtig wehtun: Stempel fälschen im Club, Maßkrug klauen auf der Wiesn, Hotelhandtücher "aus Versehen" einstecken, den ein oder anderen Gin Tonic mit dem eigenen Flachmann auffüllen oder eben schwarzfahren.

Wie cool wäre es, wenn man mit jedem Ticket die Chance auf irgendeinen bescheuerten Gewinn hätte, auf den man zwar keinen Bock hat, aber hey: GEWONNEN!

Es ist eben gar nicht mal so verlockend ein paar Euro in einen Automaten zu werfen und alles, was man dafür bekommt ist ein trauriges Stück Papier, das man höchstens noch als Filter für die nächste illegale Handlung verwenden kann. Aber weil ich nicht ausschließlich geizig und asozial sein will, habe ich einen Vorschlag: Sammelbildchen und Stickerheft. MVG meets Panini. Oder doch gleich Rubbellose!

Wie cool wäre es, wenn man mit jedem Ticket die Chance auf irgendeinen bescheuerten Gewinn hätte, auf den man zwar keinen Bock hat, aber hey: GEWONNEN! Ein Liter rechtsdrehendes Wurstwasser aus dem Hofbräuhaus. Yay! Eine Gratisfahrt von Garching-Hochbrück nach Garching-Forschungszentrum. Geil! Freier Eintritt für die nächste 90er-Party in der Naga. Bäm! Liebe MVG, ich komme euch da gerne mal besuchen und präsentiere euch all die tollen Ideen. Make Ticket kaufen great again – vielleicht im Austausch gegen ein Isarcard-Jahres-Abo?

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