Die erste Mass des Jahres – eine Liebeserklärung an den Biergarten
Es gibt so Einiges, wofür man München nicht mögen kann: hohe Mieten, keine Subkultur und das ewig spießige Dasein. Dazu die stressigen Radlfahrer, die grantigen Autofahrer, die weißen KVR-Pünktchen. Doch eine Sache macht München unschlagbar, einzigartig und einfach zum besten Ort der Welt. Der begehbare Eichel Ober stellt alle negativen Seiten dieser Stadt in den Schatten: der Biergarten. Und das Erlebnis von der ersten Mass nach sieben Monaten Winter.
Denn der Winter beginnt ja bekanntlich in München mit dem Wiesn-Finale und dauert bis zur ersten Biergarten-Mass. Die längste vorstellbare Durststrecke. Schlimm! Aber jetzt. Endlich wieder Biergarten! Die erste Mass im Jahr ist Lebensgefühl zum Trinken. Es ist der Beweis: Glück ist käuflich. Ein Liter Bier vom Fass im Schädel und Kieselsteine in den Socken – mehr München geht nicht. Wie sehr dieses Gefühl gefehlt hat, merkt man erst, wenn der Schaum im Bart hängt und der erste Schluck die Kehle hinunterrinnt.
Die erste Mass im Jahr ist Lebensgefühl zum Trinken. Es ist der Beweis: Glück ist käuflich.
Schon der Weg zum Ort der Sehnsucht ist irgendwie speziell. Die Menschen sind hibbelig, wollen so schnell wie möglich die Arbeit vergessen und haben Hummeln im Arsch. Schon aus der Ferne hört sich der Biergarten an wie ein Bienenschwarm. Das brummende Münchner Leben. Und dann immer das Gleiche: Ankommen, hin- und herlaufen, aufs Handy schauen und irgendwann die Freunde entdecken. Finally!
Das Beste: Man setzt sich dorthin, wo noch Platz ist. Basta! Es gibt keine Gästeliste und keine VIP-Line. Alle sind gleich. Wo sonst erlebt die Münchner Egoisten- und Individualisten-Gesellschaft noch ein „Setz dich her, wir haben noch Platz“ von wildfremden Personen?
Schon aus der Ferne hört sich der Biergarten an wie ein Bienenschwarm. Das brummende Münchner Leben.
Biergärten sind für Münchner weit mehr als nur Orte mit Bäumen und Bier. Sie sind vielleicht die letzte Bastion der Münchner Menschlichkeit. Einander unbekannte Menschen teilen sich einen Biertisch, grüßen sich und stoßen an. Da werden Brezn geteilt und Freundlichkeiten ausgetauscht. Gelebte bayerische Gemütlichkeit. Das Leben könnte so einfach sein. Warum geht das eigentlich nicht auch bei der MVV oder auf dem Radlweg? Die Antwort liegt im Glas.
Die Mass – der haptische Feierabend
In Münchner Biergärten gibt’s eine Mass Bier. Ende der Diskussion. Manche bieten erst gar keine Halbliter-Krüge an. Warum auch? Andere Städte trinken zur Feier des Tages vielleicht mal ein Bierchen und prösteln sich neckisch zu. Mit so einem Spielzeug-Bierchen aus Bremen oder Köln ist danach noch alles möglich. Arbeiten, Kino, sogar Autofahren. Bei einer Mass ist das anders. Eine Mass ist eine Kampfansage und somit der haptische Feierabend. Reicht für heute. Schon das Geräusch, wenn sich aus acht Richtungen die Krüge über dem Biertisch treffen – eine ganz eigene Musik. Bamm!
Biergärten sind für Münchner weit mehr als nur Orte mit Bäumen und Bier. Sie sind vielleicht die letzte Bastion der Münchner Menschlichkeit.
Wer eine „Scharfe“ bestellt, fährt ganz gewiss kein Auto mehr und will auch keine Firmenmails mehr checken oder noch 'ne „Präsi“ finalisieren. Mit der Bestellung der besten Erfindung auf Erden beendet der Biergartenbesucher den Alltagswahnsinn. Egal, ob aus El Salvador oder der Eifel – gerne auch schon um 13 Uhr. Dass eine Mass Bier schnell lack wird, hängt nicht vom Bier, sondern vom Konsumenten ab. Lieber schnell trinken als lange in der Schlange stehen.
Echte Biergartenprofis bringen die gekochten Eier, Radi, frisches Brot und eine Tischdecke selbst mit. Bier und Brezn kauft man vor Ort. Jetzt aber: Der Blick auf die Wetter-App verrät: zweistellig und Sonne. Das reicht. Es geht los! Die Biergarten-Saison ist eröffnet – da darf nichts schiefgehen. Die erste bleibt aber einfach die Beste. Dennoch: Auf viele schöne Räusche – auch an einem Montag. Prost!