Das Mural: Junge Spitzenküche für Nerds und Neulinge

Spätestens als sich zwei Gläser Champagner, zwei Weißweine in großen, bauchigen Gläsern und die Weinkarte auf unserem Tisch befinden, wissen wir, dass es ein guter Abend wird. Weißweine sklavisch nur in sogenannte Weißweingläser zu füllen, ist unsinnig. Genauso wie Sekt aus schmalen Sektflöten zu schlürfen. Wein braucht Platz. Guter zumindest und den haben wir hier sowieso im Glas.

Aber von Anfang an: wir sind im Mural. Mural, das ist zwar englisch und bedeutet soviel wie Wandgemälde, man darf es aber mittlerweile ganz eingedeutscht aussprechen. Wir erklären das, weil wir uns selbst seit Wochen fragen, wie wir in der Szene am elegantesten über dieses Restaurant sprechen. Die Szene ist die deutsche Gourmet-Szene, in der es gerade hoch her geht, wenn der Name Mural fällt. Zwar gibt es das Mural schon länger, doch der Wind in den Segeln bläst besonders heftig seit Joshua Leise und Johannes Kneip die Chefs de Cuisine sind und als Anwärter auf einen Michelin-Stern gehandelt werden.

Wir trinken biodynamischen Winzer-Champagner, der mit der Schampus-Schickeria so viel gemein hat wie Pinot Noir mit Robby Bubble
© Paul Kern
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Doch zurück zu unserem Aperitif: wir trinken Champagner. Biodynamischen Champagner vom klitzekleinen Weingut Benoît Marguet, das mit der Schampus-Schickeria so viel gemein hat wie Pinot Noir mit Robby Bubble. Ohnehin spielt Wein eine wichtige Rolle im Mural. Neben einigen sogenannten Naturwein-Winzern, die man eher der Kategorie Nerd-Stoff zuordnen würde, wie Matassa, Buronfosse oder Wasenhaus, finden sich auch (Neo-)Klassiker wie Peter Jakob Kühn oder das Sekthaus Griesel auf der Karte.

Und jetzt endlich mal Schluss mit Nerd-Talk und hin zum Essen! 
Nach ein paar Knabbereien, die gut zum Champagner passen, steht leicht angegrillter aber im Grunde roher Stör auf dem Tisch. Dazu gibt es eine leichte und sehr schaumige Sauce aus bayrischer (!) Garnele und einige Spielereien, die nach Karotte schmecken. Das ist alles sehr fein umgesetzt. Man spürt das präzise Handwerk, das man so nur in wirklich guten Restaurants findet. Die Sauce hätte für unseren Geschmack etwas mehr Wumms haben dürfen. Nicht weil immer alles Wumms haben muss, sondern weil der recht kau-bedürftige Stör noch im Mund zermampft werden muss, wenn die zarte Sauce schon lange verflogen ist.

Die Gnocchi dienen dabei als eine Art Schwamm, der den letzten Rest Sauce aufsaugt. Als ob wir ansonsten was auf unseren Tellern gelassen hätten!

Großartig ist dann aber Puntarella mit Schweinebauch, Gnocchi und Vin Jaune. Bei Puntarella handelt es sich um ein uns bisher unbekanntes Gemüse, das mit Chicorée verwandt ist. Die heißen Salatköpfe haben ähnliche Bitternoten wie Chicorée, sind aber bissfester und erinnern uns in der Kombination mit Vin Jaune an frische Pilze. Vin Jaune ist eine Weinspezialität aus dem französischen Jura, die in Produktion und Geschmack an Sherry erinnert – nur weniger sprittig. Hier passt alles. Die Puntarella steuert Bitterkeit bei, ist aber süßlich glasiert, was ein feines süß-bitter-Spiel erzeugt. Der Schweinebauch gibt Fett und Rauchigkeit und der Vin Jaune parfümiert alles mit seiner typischen frischen Pilzigkeit.

Die Gnocchi dienen dabei als eine Art Schwamm, der den letzten Rest Sauce aufsaugt. Als ob wir ansonsten was auf unseren Tellern gelassen hätten! Sehr zu empfehlen ist das Mural übrigens auch für Ersatzprodukt-satte Vegetarier. Denn auf Anfrage gibt es ein vegetarisches Menü in fünf bis sieben Gängen. Der Clou an der Sache ist, dass die Gänge dabei immer in eine ähnliche Richtung gehen wie die des fleischhaltigen Menüs. Anstatt Stör mit Garnele und Karotte gibt es zum Beispiel die selbe Karotte mit einer sehr guten Sellerie-Velouté.

© Paul Kern
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Lamm vom Gutshof Polting und Rotwein zum Dessert

Zum Hauptgang gibt es Lamm vom Gutshof Polting, den Nerds kennen und den sich Nicht-Nerds nicht unbedingt merken müssen. Das Lamm war sehr gut, soviel sollte man sich merken. Wenn auch eher auf der dezenten Seite ohne kräftigen Tiergeschmack. Die Kombination aus Schwarzwurzel, Salzmandeln und Totentrompeten (ein Pilz) überzeugt sogar den notorischen Schwarzwurzel-Skeptiker in uns, da sie die Schlammigkeit, die Schwarzwurzel manchmal hat, aufhebt.

Keinesfalls auslassen sollte man die Desserts! Dessert Nummer eins hört auf den Namen Zwetschge/Weiße Schokolade/Portwein/Petersilie. Gemüse in Desserts einzuarbeiten ist nichts Neues, sondern seit einigen Jahren ein Trend in der deutschen Spitzengastronomie. Die Petersilie sorgt für ganz feine Würze und macht aus der recht gewöhnlichen Zwetschge-Schokolade-Kombination ein radikales und spannendes Dessert. Zu Trinken gibt‘s dazu trockenen Spätburgunder aus Baden vom Weingut Wasenhaus. Rotwein zum Dessert gibt es so gut wie nie. Außer er ist ist süß und kommt aus Porto. Hier passt es aber hervorragend, weil der Spätburgunder eine ähnliche frische Krautigkeit mitbringt. Witzigerweise trinken wir den Rotwein jetzt aus einem schmalen Weißweinglas. Was passt, weil man so die schlanke Spritzigkeit besser unter die Lupe nehmen kann.

© Paul Kern
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Der Trend geht zum Zweit-Dessert

Auch das zweite Dessert ist sehr gut, obwohl es ganz anders aufgebaut ist. Dessert Nummer eins, der Papillenreiniger: ätherisch, fordernd, am Limit. Dessert Nummer zwei, der perfekte Schwiegersohn: cremig, süß und einfach lecker. Eine sämige Nocke Eis, Karamellcreme, irgendwas crunchiges und süßlich-säuerliche Preiselbeeren. Damit sowas bewährtes nicht langweilig schmeckt, muss man jede Menge richtig machen. Wir wollen uns nicht entscheiden, welches Dessert uns besser geschmeckt hat.

Zwei Desserts zu schicken ist mittlerweile ohnehin üblich, wenn man im hipperen Teil der Spitzengastronomie unterwegs ist. Was sinnig ist, wenn man es macht wie hier! Käse gibt es auch noch, Süßwein ebenso, Schnaps aus Rote Beete und frische Krapfen. Espresso noch. Zwischendurch bestimmt auch noch etwas, das wir vergessen haben aufzulisten. Ach ja, ein Gang mit Rosenkohl und Kürbiskernöl, der nicht ganz mit Puntarella und Petersiliendessert mithalten konnte. Dafür aber sehr gutes warmes Brot mit hausgemachtem Schinken.

© Paul Kern
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Wir verlassen das Mural und können jetzt mitreden. In der Szene redet man ohnehin gerade viel übers Mural. In ein paar Wochen kommt der neue Guide Michelin raus, die Bibel aller, die gerne gut essen. Die Mural-Apostel hoffen, dass es dieses mal klingelt. Da hoffen wir mal mit.

Unbedingt probieren // zwei Desserts zu schaffen!

Vegetarisch // Gibt es immer. Auch als 7-Gang-Menü. Am besten bei der Reservierung schon vorbestellen.

Mit wem gehst du hin // Mit alten Freunden, euren Gspusis und allen Gourmet-Nerds.

Für Fans vom // Manu.

Preise //  5 Gänge 89 Euro, 6 Gänge 99 Euro, 7 Gänge 129 Euro, Weinbegleitung ab 60 Euro.

Besonderheit des Ladens // Zwei junge Küchenchefs, die zusammengenommen so alt und schwer sind wie der große Ferdinand Point zu seinen Hochzeiten.

Mural | Hotterstraße 12, 80331 München | Mittwoch – Samstag: 10.00–00.00 Uhr, Sonntag: 10.00–19.00 Uhr, Montag und Dienstag geschlossen | Mehr Info

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