"The Lovelace" – Münchens bisher größte kulturelle Zwischennutzung
Was ist denn jetzt auf einmal los hier? Bis vor wenigen Wochen dachten wir noch, dass München die größte (pop-)kulturelle Durststrecke überhaupt durchmacht. Wenn ich gefragt wurde, wo denn was passiert, wechselte ich schnell das Thema oder trauerte meinen vergangen Lieblings-Zwischennutzungs-Beispielen à la Art Babel, Rubybar oder Puerto Giesing hinterher. Oder wir träumten uns gleich in ganz andere Zeiten, zum Beispiel das Schwabing der 70er Jahre.
Okay, aktuell ist nicht alles Brachland in München. Daniel Hahn und seine Wannda-Gang reißen sich sowieso im Alleingang den Hintern auf und jetzt haben wir ein Schiff auf einer Brücke, aber abgesehen davon sah es bis vor einiger Zeit eher traurig aus. Doch plötzlich tut sich etwas und es scheint, als würde München rechtzeitig, wo es in Richtung Frühling geht, aus dem Dornröschenschlaf erwachen.
Make Munich Great Again – oder was?
Dass wir uns ganz arg über das Container Collective am Ostbahnhof freuen, haben wir schon bewiesen. Außerdem gibt die ersten konkreten News zum "neuen Kong" aka Blitz und andererseits haben wir nicht schlecht gestaunt, als wir vom neuen Projekt von Michi Kern, dem Betreiber des Lost Weekend, gehört haben.
Da geht es um satte 4800 Quadratmeter in der ehemaligen Königlichen Filialbank mitten in der Altstadt. Dort soll die wohl größte Zwischennutzung ever in München entstehen. Wir sagen nur: Hotel, Bars, Clubs, Restaurant, Studios, Läden und wasweißichnichtalles.
Das wird ein Riesending. Von einer Million Euro Investition ist die Rede, obwohl das Projekt "nur" bis 2019 laufen soll. "The Lovelace" soll es heißen und ein Ort werden, an dem die Kultur erblühen soll. Kinoabende, Diskussionen, Performances, Ausstellungen und drumherum ein vegetarisches Restaurant, 35 Hotelzimmer, Geschäfte auf drei Etagen und so weiter und so weiter.
Ähnlich ambitioniert sind die Pläne für den alten Kongresssaal am Deutschen Museum. Da wissen wir ja schon länger, dass die Macher des ehemaligen Kong hier fleißig am werkeln sind. Mittlerweile sind die Pläne konkreter und wir staunen nicht schlecht, was sich das Team vorgenommen hat. Ein ebenfalls vegetarisches Restaurant und ein Club mit zwei Dancefloors und einem zusätzlichen Barbereich inklusive "einem kompromisslosen und ambitionierten Programm". Der neue Name: Blitz. Achso.
Obwohl noch keines dieser beiden Projekte bisher eröffnet ist und wir noch keine Ahnung haben, wie das wird, schwimmen wir auf einer Welle der Euphorie.
Obwohl noch keines dieser beiden Projekte bisher eröffnet ist und wir noch keine Ahnung haben, wie das wird, schwimmen wir auf einer Welle der Euphorie. Zumindest im ersten Moment, in dem wir von der Sache hören. "Oh mein Gott! Hast du das gehört? Das wird bestimmt ganz, ganz toll!". Platz für Zweifel oder eine kritische Betrachtung bleibt da nicht. Denn wie unabhängig, alternativ oder weg vom Mainstream kann ein (Kultur-)Projekt sein, wenn die Macher Millionenbeträge hineinpumpen beziehungsweise hineinpumpen müssen?
Schau ma moi, dann seng mas scho
Vorwerfen kann man ihnen das natürlich nicht. Sie haben die Zuschläge für die jeweiligen Zwischennutzungen bekommen, weil sie die "besten Konzepte" vorgelegt haben. Oder eben, weil sie es sich leisten können. Da fragen wir uns direkt mal, ob wir uns das dann auch leisten können, denn irgendwie müssen die hohen Investitionen ja auch rein geholt werden. Aus reiner Nächstenliebe entstehen Blitz und Lovelace vermutlich nicht. Aber das ist reine Spekulation und wir wollen nicht die Pferde Scheu machen, noch bevor wir wirklich wissen, wie das Ganze am Ende aussieht.
In der Zwischenzeit kehren wir zurück zur Euphorie und freuen uns ganz arg auf all das, was da kommen mag. Denn wir Münchner sind da wie halbverdurstete Wanderer in der (Kultur-)Wüste, die schon bei der bloßen Aussicht auf eine Oase völlig durchdrehen. Also im positiven Sinne. Da müssen wir jetzt hoffen, dass sich sowohl Blitz als auch Lovelace nicht als Fata Morgana entpuppen.