11 typische Radlfahrer, die jeder Münchner kennt
Es gibt gute Marketing-Kampagnen – wie zum Beispiel die selbstironischen Werbesprüche von Fernet Branca – und es gibt nicht ganz so gute. Zu letzteren zählt die Idee, München einfach mal den Titel Radlhauptstadt zu verleihen. Für die ultimativ radlerfreundliche Straßenführung steht dieses Prädikat vermutlich nicht. Vielleicht aber für die vielen Menschen, die sich mal mehr mal weniger grazil, aber meist aus voller Überzeugung auf ihrem zweirädrigen Gefährt durch München bewegen. Da gibt es dann natürlich nicht bloß den einen Radlfahrer, sondern eine unglaubliche Artenvielfalt. Wir haben zumindest mal elf davon auf Münchens Straßen gesichtet:
1. Der Hipster auf dem Vintage-Rennradl
Am liebsten zieht er seine Bahnen um den Gärtnerplatz. Nicht, weil man da so besonders entspannt radeln kann – Stichwort 52er und 62er –, sondern weil man von möglichst vielen Leuten gesehen wird. Denn das viel zu teure Vintage-Rennradl muss natürlich ausgeführt und bewundert werden. Man wünscht ihm keinen Platten in der Pampa, denn seine Reifen-Wechsel-Skills sind nicht so hip.
Da kommt er her: von seinem hippen Co-Working-Space, aber hey, bei den 600 Euro pro Tisch ist Kaffee und Internet schon dabei!
Da fährt er hin: auf die Terrasse von der Loretta, da stehen die Chancen gesehen zu werden nämlich auch recht hoch.
Wird von der Polizei aufgehalten, weil: man mit einer Hand nicht so safe radelt.
2. Die Haidhausen-Mutti
Haidhausen ist ein hartes Pflaster, zumindest in Sachen holprigem Straßenbelag. Das ist allerdings kein Problem für die Haidhausen-Mutti (oder den Papi), denn die sind für solche Lappalien gewappnet. Mit dem zweitausend Euro Lastenrad gleiten sie auf dem Weg zum Wochenmarkt mit maximaler Eleganz, aber ohne Rücksicht auf Verluste übers Kopfsteinpflaster. Das Gute: Paulines Geschrei warnt euch rechtzeitig vor der drohenden Gefahr!
Da kommt sie her: Von der Kita ging's direkt zum Kinder-Karate...
Da fährt sie hin: ...und jetzt noch auf zum Schwangerschafts-Yoga.
Wird von der Polizei aufgehalten, weil: Pauline so plärrt.
3. Die urgemütliche Omi
Es gibt Orte, da haben es alte Menschen aus Prinzip eilig. Im Supermarkt zu Beispiel, wenn man an der Kasse plötzlich glaubt, Opfer eines bewaffneten Raubüberfalls zu sein. Dabei ist die vermeintliche Waffe im Rücken nur der Gehstock einer alten Dame, der es nicht schnell genug gehen kann. Den vollen Kontrast erlebt man dann auf dem Fahrrad. Da haben sie auf einmal alle Zeit der Welt und fahren am liebsten zur Rush-Hour in aller Seelenruhe die Ludwigstraße entlang. In der Mitte des eh schon zu schmalen Radlwegs.
Da kommt sie her: vom Kaffeekränzchen.
Da fährt sie hin: zum Wohnstift Entenbach.
Wird von der Polizei aufgehalten, weil: ein ausgeschaltetes Hörgerät genauso schlimm ist wie voll aufgedrehte Kopfhörer.
4. Der Business-Biker auf der Isarautobahn
"Safety First" ist das Credo des Business-Bikers. Sein persönliches Risikomanagement besteht aus einem reflektierenden Band am Hosenbein, das er aus dem Micky-Maus-Heft seiner Tochter geklaut hat. Er ist mit seinem superleichten und superpraktischen faltbaren Fahrradhelm auch Head of Protection. Blöd nur, dass er ausschließlich auf seine eigene Sicherheit bedacht ist und als echter Accelerator ziemlich flott über die Isarautobahn heizt.
Da kommt er her: Mittersendling, Unterföhring oder Milbertshofen aka Siemens, Allianz oder BMW.
Da fährt er hin: zum Afterwork ins Eataly.
Wird von der Polizei aufgehalten, weil: er heimlich auf der falschen Seite vom Radlweg fährt.
5. Der bestens ausgestattete City-Biker
Dass der gemeine Outdoor-Münchner eine eigene, aber weit verbreitete Spezies in der Landeshauptstadt ist, ist keine Neuigkeit. Interessant ist aber die Unterspezies, die regelmäßig auf zwei Rädern unterwegs ist. Regenhose, Fahrradtaschen, superleichtes Alu-Bike, Radlcomputer, Smartphone-Tasche und atmungsaktives Funktionsshirt. Er hat die goldene Sport-Scheck-Bonuskarte und vor allem: All the gear, but no idea.
Da kommt er her: Von seinem Forschungsprojekt in Garching.
Da fährt er hin: Heim nach Thalkirchen. 25 Kilometer. Easy.
Wird von der Polizei aufgehalten, weil: sein Radl-Navigationssystem die roten Ampeln nicht anzeigt.
6. Der rasende Deliveroo-Fahrer
Sonne, Starkregen, Schnee – scheißegal! Der Deliveroo-Fahrer trotzt dem Wettergott, nur um viele hungrige Mäuler zu stopfen. Er ist der Einzige, der Shorts über Leggings tragen darf, denn das ist die Uniform der Helden unseres Alltags. Während wir verkatert vor uns hinvegetieren, ignoriert er aufopferungsvoll jede rote Ampel und scheißt auf die STVO – nur damit uns der Burger noch warm in die Hände fällt.
Da kommt er her: vom Asia-Wok 2 Go.
Da fährt er hin: zu dir, du faule Sau!
Wird von der Polizei aufgehalten, weil: sie die Lieferung konfiszieren wollen.
7. Die grantige E-Bike-Tante
Der Mensch auf dem Fahrrad ist das effizienteste Lebewesen auf diesem Planeten. Aber das langt dem Menschen nicht und so hat er sich einen Elektromotor ans Radl geschnallt und ist sofort der Überzeugung, dass ihm nun nicht nur der Radlweg, sondern auch die Welt gehört. Also Obacht, wenn ihr euch das nächste Mal den Nockherberg hochquält. Wenn ihr plötzlich ein hektisches Klingeln gepaart mit einem leichten Summen hinter euch wahrnehmt, solltet ihr sofort Platz machen. Denn den Zorn der Jack-Wolfskin-Frau wollt ihr definitiv nicht auf euch ziehen.
Da kommt sie her: aus der E-Bike-Werkstatt.
Da fährt sie hin: zum Patchwork-Decken-Nähkurs in der Volkshochschule.
Wird von der Polizei aufgehalten, weil: sie ihren E-Motor heimlich frisiert hat.
8. Die amerikanischen Touris im Englischen Garten
Es ist immer das gleiche Spektakel. Man läuft nichtsahnend auf einem der Wege durch den Englischen Garten und plötzlich taucht am Ende des Weges eine Staubwolke auf. Was man erwartet: Lautes Hufgetrappel und eine Reiter-Armee à la Herr der Ringe. Was wirklich kommt: Laute "Oohs", "Aahs" und vor allem "Wuuhs". Dafür verantwortlich sind amerikanische Touristen auf blauen Beachcruisern, die wirklich alles können – außer Fahrrad fahren!
Da kommen sie her: vom Chinesischen Turm.
Da fahren sie hin: zur Eisbachwelle.
Werden von der Polizei aufgehalten, weil: der Tourguide sein Gewerbe nicht angemeldet hat.
9. Die unzertrennliche Radl-Gang
Sie sind jung, sie sind hip, sie sind gutaussehend und saunervig – zumindest für alle, die nicht zum auserwählten Kreis der Radl-Gang gehören. Als Teil der Gruppe fühlt man sich dafür frei und vor allem unverwundbar, zumindest so lange bis man vor lauter wilder Schlangenlinien in der Tramschiene hängen bleibt.
Da kommen sie her: vom WG-Balkon.
Da fahren sie hin: Party, Open-Air, illegaler Rave oder wahlweise doch nur an die Isar.
Werden von der Polizei aufgehalten, wegen: Mischkonsum.
10. Das Schwabing-Girl mit dem Hollandrad
Eines vorweg: Sie fährt nicht, sie gleitet. Es ist uns ein Rätsel, warum ihr langes, wallendes Kleid (und das blonde Haar) nicht alle zehn Meter in ihren Speichen hängt. Aber selbst mit ihrem gesamten Hausrat im Bastkorb manövriert sie ihr Radl elegant durch den Straßenverkehr. Rechts und links schaut sie dabei zwar nicht, aber selbst wenn man wegen ihr in den nächsten Laternenmast kracht, entschuldigt man sich bei ihr für die eigene Unachtsamkeit.
Da kommt sie her: aus ihrer Pinterest-Wohnung in der Herzogstraße.
Da fährt sie hin: zum Frühstück in die Lax Eatery oder zum Sundowner auf der Vorhoelzer-Dachterrasse.
Wird von der Polizei aufgehalten, weil: sie verhaftet ist wegen sexy.
11. Die Tour de France Gazelle
Sie kann nichts unterkriegen. Wenn sie sich einmal auf ihr brandneues Rennrad mit Tubeless-Reifen schwingt, kann kommen, was da wolle. Sie schafft locker eine Durchschnittsgeschwindigkeit von 50 km/h und legt sich auch mal flach aufs Bike, wenn das der Aerodynamik dient. Sie braucht keinen Windschatten, nein, sie ist der Windschatten.
Da kommt sie her: vom Starnberger See.
Da fährt sie hin: zum Starnberger See – dreimal drum herum.
Wird von der Polizei aufgehalten, weil: der auf Hochglanz polierte Rahmen so blendet oder weil sie unterwegs sechs Kleinkinder umgenietet hat.