Mein Lieblingsort in München #11: Der Königsplatz
Wir empfehlen jeden Tag jede Menge toller Locations, ausgesucht von uns und unseren Autoren. Und trotzdem hat jeder von uns dieses eine immer gleiche Café, in dem er schon seit Jahren draußen seinen Cappuccino trinkt, den einen See, an den er immer wieder fährt und von dem er einfach nicht genug bekommt oder diese eine Ecke der Stadt, die sein Herz immer wieder höher schlagen lässt. Hier kommen unsere ganz persönlichen Lieblingsorte in München. Heute erzählt uns die liebe Lilly, warum sie ihr Herz an den Königsplatz verloren hat.
Was ich zu meinem Glück brauche: Sonne, Oliven, Baguette, diese gschmackigen Schafskäsepasten vom Türken und gute Gespräche bei einer Flasche Wein. Am liebsten draußen, an einem schönen Ort zwischen schöner Musik und vielen Menschen. Das alles bekomme ich in München an einem Sommerabend in unter 20 Minuten zusammen: Der türkische Obst- und Gemüseladen meines Vertrauens liegt ums Eck, der Königsplatz auch. Da wird abends im Sommer fast immer Musik gespielt und mein Lieblingsmensch ist mit dem Fahrrad ratzfatz da. Auf den Stufen der Glyptothek sitzen wir dann stundenlang, trinken Wein, reden bis wir müde werden und uns darauf verlegen dem bunten Treiben zu zuschauen.
"Bei mir fängt der Himmel knapp über dem Erdboden an" – hab ich mal auf einer Postkarte gelesen. Und wenn ich an solchen Tagen von den Stufen der Glyptothek auf den Königsplatz schaue, kann ich das verstehen.
Warum die Stufen der Glyptothek am Königsplatz mein Lieblingsort in München sind, hat viel damit zu tun, warum ich die Stadt überhaupt so liebe. Bevor ich hierhergezogen bin, hat mich Münchens schnöde Sauberkeit genervt. München war mir irgendwie zu glatt, zu maßvoll, zu sehr apollinisches Ideal. Aber sobald man hier wohnt bemerkt man, dass München so glatt eigentlich nicht ist. Es gibt hinter der Kulisse aus goldvertäfelten Jugendstilfassaden all das, was man hier zuerst vermisst: Diversität, Kreativität, hässliche Ecken und tolle Projekte.
Der Königsplatz ist das beste Beispiel. Er ist auf den ersten Blick ganz schön protzig. Als Teil der Brienner- aka Prachtstraße von Ludwig I türmen sich die drei Gebäude mit ihren Säulengängen und Reliefs riesenhaft einschüchternd auf. Dabei macht sich der Königsplatz gar nicht so viel aus sich selbst. Hier hat schon alles stattgefunden: Demonstrationen, Freiluftkino, Kunstinstallationen, Open Air Konzerte und an sonnigen Sommerabenden unser ganzes, wildes Alltagsleben.
Ein Prunkplatz, der für alle da ist
Zu Füßen der hochgewachsenen Tempelbauten haben Leute dann erste Dates, andere Beziehungsdramen, manche machen Picknicks. Sie schlafen auf den Rasenflächen, spielen Wikinger Schach oder Tischtennis, bräunen sich im Bikini, zeichnen die Gebäude, sie sammeln Flaschen, laufen ihren Hunden und Kindern hinterher. Sie klimpern auf ihren Gitarren, rauchen, trinken, genießen wie wir das schöne Leben. Hier sitzen Anzugmenschen neben Obdachlosen und Studierenden bei ihrer Feierabendhalbe. Der Feierabendhalben ist es egal wer sie trinkt und dem Königsplatz ist es egal wer ihn genießt. Er ist ein Prunkplatz, aber für uns alle da.
Dass im Sommer das ganze Leben nach draußen transportiert und ungeniert alles mit allen geteilt wird, ist eines dieser Stadtphänomene, die ich erstmal weird fand, aber denen ich mich mittlerweile willig anschließe. In Ermangelung eines Balkons oder gar hauseigener Grünfläche habe ich den Königsplatz zu meinem Hinterhof erkoren. Und ich teile ihn freudig mit allen, die wie ich nicht davon angetan sind sich beim Sonnenbaden im Englischen Garten Ölsardinengleich einzureihen. Oder bei Sportaktivitäten im Olympiapark das Gruppenschwitzen zur neuen Religion zu erheben. Wir Königsplatzler genießen lieber gemütlich eine Flasche Wein und die Live-Musik der Tangotänzer*innen, die dort regelmäßig auflaufen.
Das Chanel-Logo brennt dann eine Weile rot auf der Backe wie ein Mahnmal meiner Mittellosigkeit. So ist München halt. Es zieht dir dein letztes Hemd aus und wickelt dich dann in einen Kaschmirschal.
Der Königsplatz ist der Zentrifugalpunkt der meisten meiner Münchengeschichten – wenn ich erklären soll wie das so ist hier zu leben, dann fallen mir Geschichten am Königsplatz ein. Ich liebe München zum Beispiel für seine Gemütlichkeit. Wenn ich die Strecke von meiner Wohnung bis zum Königsplatz radl, ist das wie einmal quer durchs Dorf zu tuckern. Der Getränkehändler von nebenan winkt mir zu, ich treffe Leute auf der Straße und finde den Weg ohne Siri. In meinem Viertel fühle ich Prä-Millenniums-Kind mich daher pudelwohl. Aber selbst hier werde ich noch überrascht.
Denn kaum denke ich zu wissen wie in dieser Stadt der Hase läuft, weil ich mir einen mint-farbenen Recup zugelegt habe und Kaffee nur noch mit Hafermilch bestelle, stehe ich im Ella am Königsplatz und zahle für meinen Cappuccino knappe fünf Euro. Kein untypischer München-Moment, trotzdem fühlt es sich jedes Mal wieder so an als würde mir die Stadt ihre Chanel Tasche ins Gesicht klatschen. Das Chanel-Logo brennt dann eine Weile rot auf der Backe wie ein Mahnmal meiner Mittellosigkeit. Dann wieder frage ich an einem anderen Tag im Ella nach zwei Eiswürfeln für die Weinsession auf den Stufen der Glyptothek und bekomme gleich einen ganzen Eimer Eis geschenkt. So ist München halt. Es zieht dir dein letztes Hemd aus und wickelt dich dann in einen Kaschmirschal.
Ich erzähl auch gerne von der Glyptothek am Königsplatz. Dort wird eigentlich die Antiken Sammlung (griechische und römische Statuen) ausgestellt, wenn nicht gerade drei Jahre lang renoviert wird. Ich bin mal nach einigen frustrierenden Stunden in der Bibliothek dorthin getigert. Schon mal Platon gelesen und instant gecheckt? Ja, ich auch nicht. Also habe ich mich in die Glyptothek vor seinen steinernen Twin gesetzt, um dem Meister meiner Qualen wenigstens in die Augen zu gucken, während ich darüber grübel was zur Hölle der Scheiß soll.
So ist München halt auch: Es gibt immer einen Ort, der schöner ist als du dich fühlst. Und der dir großzügig was von dem schönen Gefühl abgibt. Den Königsplatz kann ich da sehr empfehlen.
Platons Steinkopf wusste es auch nicht, aber dafür habe ich im wunderschönen Innenhof der Glyptothek eines meiner jetzigen Lieblingscafés entdeckt. Nach einer hervorragenden Tasse Kaffee bin ich ohne Antworten, aber mit besser Laune gegangen. So ist München halt auch: Es gibt immer einen Ort, der schöner ist als du dich fühlst. Und der dir großzügig was von dem schönen Gefühl abgibt. Den Königsplatz kann ich da sehr empfehlen.
All in all ist meine Liebe für den Königsplatz also ziemlich groß. Dürfte ich die Maxvorstadt nie mehr verlassen, ich würde all meine Abende dort verbringen und wäre glücklich. Dann würde ich Wein trinken auf den Stufen der Glyptothek, mir den Mund fusslig quatschen und Tango tanzen lernen. Ich würde endlich mal meine Jahreskarte vom Lenbachhaus nutzen (kostet übrigens nur 20 Euro und ein Eintritt schon zehn), nur um in den Garten zu gehen.
Da würde ich mich unter Menschen mit wirklichem Talent mischen und krakelig die Rosen nachmalen. Ich würde Wikinger-Schach eine zweite Chance geben. Dann würde ich im Von und Zu noch mehr Wein trinken und die Tage zählen bis die Glyptothek wieder aufmacht. Joie de vivre nennt man das glaube ich und das geht am Königsplatz halt einfach am besten.
Die Fotos für den Beitrag wurden mit der Sony Alpha 7ii gemacht.