Dominik Schelzke Ist München wirklich die romantischste Stadt Deutschlands?
Vor Kurzem hat die Seite Travelcircus die romantischsten Städte Deutschlands gekürt und München dabei die Krone aufgesetzt, die liebevollste von allen zu sein. Das klingt jetzt auf dem digitalen Papier natürlich erst mal toll, obwohl ich von diesem Magazin vorher noch nie etwas gehört habe. Aber würde nächste Woche der Gschaftlerzirkus anrufen und mich zum geilsten Typen Münchens erklären, würde ich ja wohl auch nicht nachfragen. Wobei, vielleicht doch. Vielleicht sollte man sich generell mal überlegen, ob das sein kann. Was bedeutet überhaupt Romantik? Wie kann es sein, dass München gewinnt, obwohl es in Deutschland auch so niedliche Städte wie Speyer, Würzburg oder Freiburg gibt? Kurz: Ist München wirklich die romantischste Stadt Deutschlands?
Als gebürtiger Münchner, der jahrelang durch den amourösen Dschungel rechts und links der Isar getigert ist, bilde ich mir natürlich ein, ein ziemlicher Experte zu sein. Aber lassen wir doch zuerst die "wahren" Profis ihre Wahl erklären. Laut der Website hat Travelcircus "130 deutsche Städte unter die rosarote Lupe genommen" und dabei folgende Kriterien angesetzt: romantische Restaurants, Kinos, Instagram-Score (dazu später mehr), romantisches Suchvolumen und sogenannte Extra-Scores wie eine erhaltene Altstadt, viele Fachwerkhäuser oder ein schönes Gewässer.
Dates im Kino sind einfach nur faul
Weder will ich behaupten, dass es sich bei dieser Reiseplattform um das statistische Bundesamt handelt, noch möchte ich ihre Kriterien nach diesen Standards beurteilen. Aber selbst mit den niedrigsten Ansprüchen, die mir zur Verfügung stehen, erscheinen mir die einzelnen Kategorien teilweise schon sehr beliebig. Romantische Restaurants sind ja noch ganz vernünftig, wobei ich persönlich auch schon sehr liebevolle Abendessen bei der Gute-Nacht-Wurst hatte. Aber geschenkt.
Schon beim zweiten Punkt zuckt meine Augenbraue allerdings nervös nach oben. Kinos? Die Anzahl der Kinos auf die Stadtfläche gesehen hat ja mal überhaupt nichts mit Romantik zu tun. Und generell gilt, wer sein Date mit ins Kino nimmt, ist in erster Linie nicht an Zweisamkeit interessiert, sondern hat eher Lust auf minimale Auseinandersetzung mit seinem Gegenüber – und vielleicht auf einen Blockbuster. Wenn ich alleine ins Kino gehe, sitze ich auch manchmal direkt neben Menschen, esse Popcorn und starre mit ihnen drei Stunden auf eine Leinwand. Kennenlernen würde ich das aber nicht nennen.
Was in Venedig die Gondeln in der blauen Lagune sind, sind hier die Kutschen in der grünen Lunge der Stadt. Was dort der Markusplatz, ist hier der Marienplatz. Und Harry's Bar und das Schumann's stehen ohnehin seit jeher auf derselben Seite der Erzählung.
Das romantische Suchverhalten, eine Kombination aus verschiedenen romantischen Suchanfragen auf die Größe der Stadt gesehen, und die Extra-Scores für besondere Architektur und Natur gehen wieder in Ordnung. Bleibt aber noch besagter Instagram-Score. Es besteht natürlich immer die Möglichkeit, dass ich die Erklärung falsch verstanden habe, aber was zum Himmel und zur Hölle haben denn die Instagram-Beiträge pro Einwohner*in mit großen Gefühlen zu tun? Wenn überhaupt, dann deutet ein voluminöseres Postingverhalten doch eher auf den alten Titel der "Singlehauptstadt" hin. Soweit ich informiert bin, schaut man immer noch allein auf sein Handy.
Also nein, nach diesen Kriterien ist München nicht die romantischste Stadt Deutschlands. Was aber nicht an München liegt, sondern schlicht daran, dass die Kategorien keine waren. Seltsamerweise sind trotzdem einige wirklich schöne Flecken Erde auf dieser Liste gelandet, von Konstanz bis Norderney. Bei Berlin und Stuttgart hört diese Anomalie in meinen Augen aber auch wieder auf. Unabhängig davon könnte es ja trotzdem sein, dass München die Königin der Romantik ist. Nur nach welchen Maßstäben würde man so etwas bemessen wollen?
Nimmt man als Vorbild mal Venedig, das von vielen ja ganz klar als die romantischste Stadt der Welt gesehen wird, dann schneidet München tatsächlich nicht schlecht ab. Was dort die Gondeln in der blauen Lagune sind, sind hier die Kutschen in der grünen Lunge der Stadt. Was dort der Markusplatz, ist hier der Marienplatz. Und Harry's Bar und das Schumann's stehen ohnehin seit jeher auf derselben Seite der Erzählung. Was den nationalen Vergleich angeht, sind die Altstädte von Heidelberg und Regensburg zwar wirklich sehr zauberhaft, aber halt auch sehr schnell erschöpft, was ihr Potenzial zur Romantik angeht.
Wahrscheinlich ist München wirklich sehr romantisch, aber was bedeutet das schon?
In München muss man dagegen schon sehr lange am Tinder-Rad drehen, um an die Grenzen der Date-Möglichkeiten zu geraten. Ironischerweise sowohl, was die Menschenmasse als auch die Orte angeht. Ob das jetzt ein klassisches Date ist, mit Champagner-Klingel im Hotel Lux oder lustwandelnd zwischen den exotischen Blumen des Botanischen Gartens. Oder ein wenig abseitiger, eine gemeinsame Überquerung des Olympiastadiondachs oder ein Ausflug ins Autokino nach Aschheim. München gibt einfach einiges her.
Vielleicht ist unsere Heimat also wirklich die romantischste Stadt Deutschlands, von mir aus. Nur, was bedeutet das schon? Was bringt es mir, wenn ich mit meiner Freundin am Friedensengel sitze und die Sonne über der Stadt untergehen sehe, während unter uns der Boombox-Proll einen Hardstyle-Klassiker nach dem anderen abfeuert? Oder, wenn ich mit meinem Gspusi an der Isar entlangspaziere, nur um zu realisieren, dass darauf an diesem Sonntag komischerweise auch noch 500 andere Paare gekommen sind? Ich glaube stattdessen fest daran, dass es sich mit Romantik und Städten ähnlich verhält wie mit richtig guten Abenden und Kneipen. Es ist eigentlich egal, wo man landet, solange es mit den richtigen Menschen ist.
