Ein Prosit auf die Zwergerlhoibe: Darum ist die 0,33l-Flasche das bessere Bier!
"Wollt ihr mich verarschen? Was soll das denn sein?" – es ist schon einige Jahre her, als ich mit einem Freund in einer Münchner Bar stehe und er sich schwer tut, sein Entsetzen zu verbergen. Er schaut, als hätte der Barkeeper sein Getränk mit der Klobürste umgerührt oder es in einer gebrauchten Menstruationstasse serviert. Ich verstehe nicht, was los ist, doch es sieht so aus, als sei soeben das Fundament seiner gesamten Existenz unter ihm ins Wanken geraten. Ich nehme eine der schlanken Bierflaschen vom Tresen, zahle für uns beide und proste ihm zu. In der Zwischenzeit habe ich sein Problem erkannt, aber wirklich gar keine Lust, diese Diskussion zu führen. Nicht schon wieder.
Kleinere Biere trinkt man nur im Ausland. Also in Köln.
Es ist über zehn Jahre her, dass ich das erste Mal eine 0,33l-Flasche Augustiner in Händen hielt. In meiner Erinnerung war die Empörung groß und es waren vor allem meine männlichen Freunde und Bekannten, die in der Abweichung von der Halb-Liter-Norm einen Angriff auf – ja, auf was eigentlich? - sahen. Soweit ich das beurteilen kann, fühlten sie sich betrogen, der Lächerlichkeit preisgegeben und ihrer Identität beraubt. Wir wussten doch alle: In Bayern gibt es genau zwei Bier-Einheiten. Die Hoibe und die Maß. Alles andere kommt einem Sakrileg gleich. Kleinere Biere trinkt man nur im Ausland. Also in Köln.
Halbe-Liter-Humpen sind kein Menschenrecht
Und ja, ich konnte die Argumente gegen die sogenannte Zwergerlhoibe sogar verstehen. Auch bei mir war es keine Liebe auf den ersten Blick. Zwar wusste ich, dass es größere Probleme gab und die Genfer Konvention keinen Hinweis auf ein Menschenrecht auf Halbe-Liter-Humpen enthält. Doch trotzdem verfiel ich jedes Mal aufs Neue dem Gegrantel um mich herum. Ich schüttelte missbilligend den Kopf, grummelte etwas von Abzocke und behauptete felsenfest, dass die Flasche nach drei Zügen leer sei. Die vielen Vorteile, die so eine Drittel-Liter-Bierflasche mit sich bringt, gingen im allgemeinen Ärger stets unter.
Die Flasche ist kleiner, leichter, ein besserer Tanzpartner und das Wichtigste: Das Bier wird nie lack.
Mit den Jahren etablierte sich die Zwergerlhoibe trotz alledem. Vor allem in Bars, Clubs und auf Partys wurde sie zum Standard. Zurecht, wie ich heute finde. Die Flasche ist kleiner, leichter, ein besserer Tanzpartner und das Wichtigste: Das Bier wird nie lack. Mei o mei, was habe ich schon an 0,5l-Flaschen rumgenuckelt und mich überwunden, warme Noagerl runterzuwürgen. Meistens habe ich nicht mal ausgetrunken. Grund genug für meine wagemutige Hypothese: Dank der 0,33l-Flasche landet am Ende weniger Bier im Abfluss.
Im Club kann ich all meinen Leuten Bier mitbringen, weil sie sich leichter tragen lassen. Selbst bei sechs Flaschen muss ich mir keine davon würdelos unter die Achsel klemmen. Nicht zu vergessen, die paar Kilo weniger, die die Bierkästen wiegen. Wer weiß, wie viele Bandscheibenvorfälle bei Barpersonal dadurch verhindert wurden?
Klar, finanziell komme ich mit der Zwergerlhoibe nicht unbedingt besser weg, weil am Ende zahle ich mit Trinkgeld auch gerne mal vier Euro oder mehr für das kleinere Bier. Aber in Zeiten, in denen die Maß knapp 15 Euro kostet, halte ich das Kosten-Argument ohnehin für absolut fadenscheinig. Dass sich Menschen mit geringem Einkommen kaum noch das Feierabendbier leisten können, liegt sicher nicht an der Flaschengröße.
Die Angst vor Veränderung
Überhaupt ist der Ärger über das vermeintlich geschrumpfte Bier – Achtung, nächste steile These! – nur eine Stellvertreterdiskussion. Vielmehr geht es um die Angst vor Veränderung und die Schwierigkeit, sich auf etwas Neues einzulassen. Biertrinken hält Bayern zusammen. Da wird nichts geändert! Würde es danach gehen, tränken wir unser Feierabendbier aus Ein-Liter-Flaschen, die vor knapp zweihundert Jahren noch Standard waren.
Ein bisschen geht es aber vielleicht sogar um Gleichberechtigung. Denn eine kleinere Flasche sprengt die Konvention, die dafür sorgt, dass ein 1,90m-Kerl nach zwei Bier noch fit ist und ich nach der ersten Runde schon diese typische Bierschwere in den Knochen spüre. Dank der Zwergerlhoibe kann ich als Frau unter 1,60m endlich vier Runden mittrinken ohne danach schon zwei Liter Bier intus zu haben. Reicht mir persönlich als Argument. Wem das allerdings nicht genügt, sollte an das bekannte Sprichwort denken: "Drei Bier sind auch ein Schnitzel!" – das stimmt kalorientechnisch nämlich nur, wenn man in Zwergerlhoiben rechnet. Prost!