Instagram, Netflix & Co. – verschwende ich meine besten Jahre vor dem Bildschirm?

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Meine Bildschirmzeit betrug letzten Sonntag fünfeinhalb Stunden. Die eines Freundes sieben. Gut, wir waren verkatert und draußen war München irgendwas zwischen dunkelgrau und tiefschwarz: Himmel, Isar, Theresienwiese, Englischer Garten. Hab ich zumindest auf Instagram gesehen – irgendwann bei Stunde drei, als wir uns nebenher vom bunten Flimmern der neuen "YOU"-Staffel auf Netflix betäuben haben lassen. 

Das Problem an der Sache ist: Das war kein Moment von „ups-kann-ja-mal-passieren“, sondern ein „mist-schon-wieder“. Denn unter der Woche sieht mein LED-Marathon nicht wirklich anders aus. Da erhält mein Handy meine Aufmerksamkeit, sobald ich Spotify öffne und unter die Dusche steige, in der Bahn, wenn ich versuche, alle meine ungeöffneten Whatsapp-Nachrichten gleichzeitig zu beantworten, während ich mir im Gruppenchat mit den Girls die Podcasts zu ihren Wochenenden anhöre und anschließend in der Uni, zwischen meinen Vorlesungen zu Europas fragwürdigen Außengrenzen und Amerikas noch fragwürdigerem Kapitalismus.

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Dann sitze ich in der Bib und fordere meinen Laptop zu geschmeidigen sieben bis acht Stunden Bildschirmzeit heraus. Nur um ihm (und mir) den Rest zu geben, wenn ich mir kurz vor zehn über einer Schüssel Pasta drei bis sechs Folgen "Friends" reinziehe, währenddessen ich im Multitasking-Modus auf Instagram die Strandbilder vom letzten Sommer meiner Freund*innen like. Es ist also kein Wunder, dass ich mich regelmäßig frage: Verschwende ich gerade die besten Jahre meines Lebens vor dem Bildschirm?

Zeit ist vergänglich und das ist auch gut so. Nichts wäre schön, wäre es für immer. Weder jeden Tag am Strand den Sonnenuntergang sehen, noch bei endlosem Juniwetter in Dauerschleife an der Isar grillen.

Auch wenn ich hier manchmal instinktiv JA schreien möchte, was zur Folge hätte, dass ich morgen nach Sydney auswandern und dort von Gastro und in Geldnot leben würde, ist das natürlich nicht so einfach.

Denn einerseits bin ich der Meinung, dass Zeit in Vorlesungssälen, Bibliothekshallen, Bürogebäuden und selbst die auf den sozialen Medien keine Verschwendung ist, solange man sie als intellektuell zufriedenstellend oder sinnstiftend empfindet. Andererseits glaube ich, dass es „die besten Jahre (m)eines Lebens“ gar nicht gibt. Zeit ist vergänglich und das ist auch gut so. Nichts wäre schön, wäre es für immer. Weder jeden Tag am Strand den Sonnenuntergang sehen, noch bei endlosem Juniwetter in Dauerschleife an der Isar grillen.

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Die Lösung kann deshalb nicht sein, gleich morgen die eigenen vier Wände in Pappkartons zu packen und sie ans andere Ende der Welt oder den Urlaubsort der Träume zu schippern, in der Hoffnung, die eigene Gewohnheiten zu dekonstruieren. Denn, wenn ich ganz ehrlich bin, würde ich selbst bei 40 Grad unter Australiens kaputtem Ozonloch die neue "YOU"-Staffel anschauen. I mean: It's Penn Badgley!

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It's all about balance, baby

Dementsprechend kann der Heilige Gral nur eins sein: ein gesundes Mittelmaß. Die Erkenntnis, dass ein Tag im Bett und vor dem Bildschirm ab und zu genauso erfüllend sein kann, wie mit der Picknickdecke im Olympiapark zu sitzen, solange ersteres nicht absolut überhandnimmt. Aber vor allem das Bewusstsein dafür, dass Lebensqualität nur selten etwas mit Außentemperaturen zu tun hat und unsere Väter, die schon immer gesagt haben „es gibt kein schlechtes Wetter, es gibt nur schlechte Kleidung“ von Anfang an recht hatten.

Deshalb macht euch nicht fertig, wenn eure mobilen Endgeräte ab und an sehr präsent auf der Tagesordnung stehen. Aber vergesst auch nicht, euch Auszeiten zu gönnen – egal ob beruflich oder privat – und selbst bei dunkelgrauen bis tiefschwarzen Wolken unser schönes München zu genießen. Denn eins ist sicher: Weder eure Zeit, noch schlechtes Wetter, ist für immer.

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